Landwirtschaft 4.0: Im Spannungsfeld von Open Data und Datenkontrolle

Ist der Fortschritt eine Schnecke?; Bild: H. Geywitz
Veröffentlicht am 22.02.2017

Wie viele und welche Nährwerte enthält der Boden und wie hoch ist der Wasseranteil? Wie groß ist die Tomatenpflanze und wieviel Dünger bekommt sie? Wieviel Liter Milch gibt Kuh Erna und wieviel frisst sie? Im digitalen Zeitalter bilden diese und viele weitere Informationen eine riesige Datenlandschaft für Landwirte. Sie brauchen diese Daten um Produktionsentscheidungen zu treffen, aber auch um politische Auflagen einzuhalten. Zufrieden sind viele Bauern mit den Rahmenbedingungen der Landwirtschaft 4.0 aber noch nicht: Sie wünschen sich mehr Kontrolle über ihre eigenen Daten und leichteren Zugang zu den Daten staatlicher Stellen.

Ist der Fortschritt eine Schnecke?; Bild: H. Geywitz
Von selbstfahrenden Traktoren über intelligente Melkroboter bis hin zu umfangreichen Produktionsmanagement-Apps – viele digitale Innovationen sind in der Landwirtschaft schon Realität. Nach einer Studie des Bitkom vom November 2016 nutzen 52 Prozent der deutschen Bauern digitale Anwendungen. Derzeit investiert auch die Bundesregierung in digitale Lösungen für die Landwirtschaft. Neben Kosten- und Arbeitseinsparung soll Smart Data Landwirten helfen, ökologisch nachhaltiger zu wirtschaften. Mit dem sogenannten Precision Farming, also beispielsweise dem milligrammgenauen Einsatz von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln, kann jeder Überschuss vermieden werden. Über diese Themen Sprach Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt schon im Sommer 2015 beim UdL Digital Talk.
Dazu gehöre aber auch, dass die Behörden selbst Daten freigeben, sagt Thinus Glitz, Landwirt und Produktmanager bei Farmnet 365.

„Es gibt Pflanzenschutzmittel, die darf ich laut Auflage nicht näher als fünf Meter an ein Gewässer spritzen, aber ich habe keine Datenbank, keine App, wo ich das abrufen kann“, sagt Glitz beim Tagesspiegel Trendfrühstück zur Landwirtschaft 4.0. „Ich kann Ihnen sagen wie die Datenbank heute politisch aussieht, da steht ‘fünf’ in Buchstaben drin, wie soll ich denn daraus eine Information stricken?“, fragt er weiter.

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert von Bund und Ländern Open Data. Geo-und Wetterdaten oder topographische Karten, die bei den Behörden, zum Beispiel den Katasterämtern liegen, sollten „kostenfrei, zeitnah und vollständig zugänglich sowie maschinenlesbar“ verfügbar gemacht werden.

Eine ähnliche Diskussion gibt es bei den Universitäten. Prof. Dr. Uwe Schmidt lehrt Biosystemtechnik an der Humboldt Universität zu Berlin. Er spricht sich für Open-Science, aber auch einem „Umdenken in der Wissenschaft“ aus. „Wir sind angehalten, in hochkarätigen Forschungsjournals zu publizieren, in Englisch – das nützt dem Landwirt nichts“, sagt er beim Trendfrühstück. Die Wissenschaft müsse mehr mit Landwirten kooperieren, „anwendungsorientiert“ forschen und die Ergebnisse öffentlich und kostenlos zur Verfügung stellen.

Landwirte wünschen sich neutrale Plattformen

Um das zu erreichen möchte der CDU-Bundestagsabgeordnete Alois Gerig eine „neutrale Plattform für Daten” einrichten. Die Politik würde diese “anschieben”, es gäbe aber noch viele Hausaufgaben zu machen:

„Da kommt die Datensicherheit ins Spiel: dass ich nicht will, dass als Landwirt jeder meine Daten verwenden kann, sondern ich will, dass meine Daten zentral abrufbar für mich verfügbar sind“,

sagt der Vorsitzende des Ausschusses für Landwirtschaft und Ernährung.

Auch im Positionspapier der CDU/CSU bekräftig die Fraktion, sich für die Datenhoheit der Bauern einzusetzen. Die „Verwendung dieser Daten für Kontrollen durch die Agrar- oder Fachverwaltungen“ müsse die Zustimmung von Landwirten erfordern.

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