Innovationsstandort Deutschland: Experten legen der Regierung Empfehlungen vor

Veröffentlicht am 16.04.2019

Verschiedene Studien haben in den vergangenen Wochen gezeigt: Innovation ist „far from dead in Europe“. Deutschland belegte im Innovation-Index von Bloomberg sogar Platz zwei. Um in Sachen Innovation auf Kurs zu bleiben, lässt sich auch die Bundesregierung beraten. Dafür zuständig ist die wissenschaftliche Expertenkommission Forschung und Entwicklung – kurz EFI. Diese übergab Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Mittwoch ihr aktuelles Jahresgutachten, das über die Fortschritte und Handlungsmöglichkeiten in der Forschungs- und Innovationspolitik aufklärt.

Der Bericht „zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2019“ lobt die von der Bundesregierung beschlossene „Hightech-Strategie 2025“. Die darin vorgesehenen Maßnahmen, unter anderem 3,5 Prozent des Bruttoinlandproukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, müssten allerdings schneller umgesetzt werden. Ähnliches gelte für die nationale Strategie für Künstliche Intelligenz – die KI-Strategie.

In ihrem Bericht beschäftigen sich die Experten auch mit der deutschen Start-up Szene, der Digitalisierung der Hochschulen, mit der Blockchain-Technologie und Innovationen für die Energiewende. Die Expertenkommission gibt es seit 2007. Sie setzt sich aus Professor*innen und Forscher*innen von deutschen Universitäten und Forschungsinstitutionen zusammen.

Berlin und München Start-up-hubs

Innovation-Default-Motiv-1500x984Die Start-up Szene in Deutschland ist laut der stellvertretenden Vorsitzenden der Expertenkommission, Prof. Monika Schnitzer, „lebendig“, allerdings fehlen „belastbare Daten“ für exakte Aussagen und Prognosen. Die EFI betont die Rolle von Start-ups zur Innovationsförderung. Etablierte Unternehmen müssen mit dem Fortschritt kleiner, neuer Unternehmen Schritt halten und fördern daher selbst innovative Ideen. Zudem entstehen Kooperationen zwischen den Unternehmen oder mit der Wissenschaft.

Der Großteil der deutschen Start-ups konzentriert sich in Berlin und München. Das stelle jedoch im internationalen Vergleich keine Besonderheit dar und biete Chancen zur Weiterentwicklung. Schnitzer empfiehlt, die Politik sollte „dieser räumlichen Konzentration nicht entgegenwirken, sondern gerade bereits bestehende oder sich herausbildende Start-up-Ökosysteme ausbauen“.

Was vielen Start-ups in Deutschland aber immer noch fehle, sei eine ausreichende finanzielle Grundlage, so die Experten.

„Start-ups haben in Deutschland – insbesondere in der Wachstumsphase – immer noch Probleme, Wagniskapital zu bekommen“,

erklärt der Vorsitzende der Expertenkommission, Prof. Dietmar Harhoff.

Die Innovationsförderung soll sich nicht nur auf neue Unternehmen fokussieren. Auch etablierte Unternehmen sollen eine steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung bekommen. Diese soll sich zunächst auf kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) konzentrieren.

„Aufgrund der international vorliegenden wissenschaftlichen Nachweise zu den positiven Effekten dieser Förderung ist das ein Muss und ergänzt die bestehenden und bewährten direkten Projektfördermaßnahmen“,

betont der Vorsitzende Dietmar Harhoff. Nachdem Erfahrungen mit der Förderung von KMUs gesammelt wurden, soll überprüft werden, ob diese auch auf große Unternehmen ausgeweitet werde, empfehlen die Experten. Aktuell arbeitet das Bundesfinanzministerium (BMF) an einem entsprechenden Gesetzentwurf.

Digitalisierung der Hochschulen fördern

Neben der Wirtschaft, beschäftigt sich das Gutachten auch mit der Digitalisierung der Bildung. In deutschen Hochschulen werde dieser ein „sehr hoher Stellenwert“ beigemessen, stellen die Experten fest. Gleichzeitig spiegele sich dies allerdings nicht im Stand der Digitalisierung an den Institutionen wider.

„Die Digitalisierung des strukturell unterfinanzierten deutschen Hochschulsystems ist eine Daueraufgabe, die einer nachhaltigen Finanzierung bedarf“,

unterstreicht der Bericht. Daher sollen die Hochschulen eine Digitalisierungspauschale erhalten. Pro Student*in soll jede Hochschule einen festen Betrag zur Investition in digitale Ausstattung und Ausbau des digitalen Lernangebots bekommen, wird empfohlen. Zudem solle die Politik Hochschulen bei der Gewinnung von IT-Fachkräften unterstützen. Die Hochschulen selbst müssen Digitalisierungsstrategien entwickeln und diese konsequent umsetzen.

Blockchain – Standortvorteil nutzen

Das Gutachten der Expertenkommission beschäftigt sich auch mit neuen Technologien, wie Blockchain. Die dezentrale Speicherung von Daten durch Blockchain-Technologien biete neue Möglichkeiten bei finanziellen Transaktionen, bei der Energiespeicherung und der digitalen Verwaltung.

„Deutschland befindet sich in einer aussichtsreichen Position, um die Entwicklung der Blockchain-Technologien mitgestalten und wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenziale realisieren zu können“,

meint Dietmar Harhoff. Um den Standortvorteil zu realisieren, müsse die Bundesregierung ihre geplante Blockchain-Strategie schnellst möglich beschließen und umsetzen. Dazu gehöre es, Ansprechpartner für Unternehmen in den Ministerien einzusetzen sowie den Einsatz von Reallaboren zu fördern. Damit könnten regulatorische Freiräume geschaffen werden, um mit neuen Geschäftsmodellen und Technologien zu experimentieren.

Kritik von der Opposition

Die Reaktionen aus der Politik fielen, wie erwartet, unterschiedlich aus. Die Forschungsministerin, Anja Karliczek, bedankte sich für die Empfehlungen der Expertenkommission und betonte:

„Die Bundesregierung stellt die digitale Transformation in den Mittelpunkt ihrer Forschungs- und Innovationspolitik.“

René Röspel, von der SPD-Fraktion, weist in seiner Mitteilung „EFI-Bericht 2019: Viel Gutes und noch mehr Potential“  auf das Lob des Berichts zur Hightech-Strategie 2025 und der KI-Strategie hin. Die Vorschläge zur Digitalisierung der Hochschulen, Förderung von Blockchain und Start-ups werde man „genau prüfen und darauf drängen, dass die Forschungs- und Innovationspolitik weiterhin die seit 20 Jahren erfolgreiche sozialdemokratische Handschrift trägt“.

Thomas Sattelberger, innovations- und forschungspolitische Sprecher der Oppositionsfraktion der FDP, kritisiert hingegen fehlende Investitionen in Innovationen durch die Bundesregierung:

„Es ist ein Armutszeugnis für die Innovationsnation Deutschland, dass sich die Bundesregierung auf den Lorbeeren unserer nachlassenden Wirtschaftskraft ausruht und nicht handelt.“

Die Sprecher der Grünen, Kai Gehring und Dr. Anna Christmann, richten ihre Kritik direkt an die SPD-Forschungsministerin Karliczek:

„Statt die Zukunftsthemen Energiewende, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder der öffentlichen Gesundheit mutig und ambitioniert anzupacken, gefährdet sie durch ihre Untätigkeit die Innovationskultur und langfristig den Wohlstand in unserem Land.“

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