EU-Kommission: Die neue Digital-Chefin in der EU

Veröffentlicht am 29.06.2017

Mariya Gabriel heißt die neue EU-Kommissarin für das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Bereits Mitte Mai bestätigte Präsident Juncker die EU-Abgeordnete für das Amt. Äußerungen von damals, sie habe nicht genug digitalen Hintergrund und könne die Anhörungen im Europäischen Parlament nicht überstehen, räumte die Bulgarin vergangene Woche in einer zweieinhalbstündigen Befragung beiseite. Die Abstimmung im Parlament nächsten Monat gilt als sicher, danach wird Gabriel formal vom Europäischen Rat ernannt.

Bereits im Januar begann die Suche nach einem neuen Chef für das Digital-Ressort, denn Gabriels Vorgänger EU-Kommissar Günther Oettinger wechselte damals zum Ressort Haushalt und Personal. In der Zwischenzeit übernahm Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip den Aufgabenbereich zusätzlich zu seinem Ressort Digitaler Binnenmarkt.

Jüngste EU-Kommissarin

Acht Jahre saß die 38-Jährige Mariya Gabriel im Europäischen Parlament und wird nun die jüngste Kommissarin in der Geschichte der EU. Gabriel gehört der konservativen Partei GERB an, die Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist. Die Bulgarin studierte Internationale Beziehungen und Philologie in Frankreich und Bulgarien. Netzpolitisch war sie bisher wenig unterwegs, in ihrem Lebenslauf gibt sie unter Computer-Fähigkeiten „Microsoft Office Tools“ und „Internet“ an, aber die junge Politikerin gilt als zielstrebig und lernwillig. In der Anhörung im Parlament zeigte sie außerdem, dass sie das nötige Sachverständnis netzpolitischer Themen mitbringt. Auch in den Sozialen Medien ist Gabriel aktiv, berichtete dort allerdings (noch) nicht von der Anhörung oder ihrem neuen Mandat.

Ihr Hintergrundwissen aus ihrer bisherigen Arbeit in den Komitees für Bürgerrechte (LIBE) und Gleichberechtigung (FEMM), wird Gabriel auch in das neue Ressort einbringen.

„Die digitale Welt ist vielfältig. Es handelt sich um eine enorme Herausforderung für die Bevölkerung und Wirtschaft. Keine Entwicklung kommt ohne Digitalisierung aus. Alle Bereiche der Gesellschaft sind davon betroffen und kein Mensch sollte davon ausgeschlossen werden“, sagte Gabriel bei der Anhörung.

Mehr Umsetzung, weniger neue Pläne

Mit Verweis auf das Missionsschreiben von Juncker, sieht Gabriel ihre Hauptaufgabe in der Umsetzung und dem Abschluss des Digitalen Binnenmarktes. Die Halbzeitbilanz der EU-Kommission Mitte Mai habe gezeigt, dass noch viel zu leisten sei, sagte Gabriel vor dem Europäischen Parlament. Schwerpunkte seien Cybersicherheit, Wachstum, Beschäftigung, Kultur, Jugend, Datenschutz, Plattformen und Urheberrecht.

Digitalpolitik-Default-Motiv-1500x984Besonders beim Breitbandausbau und der 5G-Innovation will die künftige EU-Kommissarin den Ländern Druck machen und durch Co-Investment den Ausbau in ländlichen Regionen fördern, die hier „weit zurück“ liegen. Gabriel will KMU und Start-ups fördern, sowie Forschung, Medien und kulturelle Angebote im digitalen Bereich. Die EU-Politikerin sprach sich im Parlament für Datensicherheit und E-Privacy aus und garantierte, sich gleichzeitig für free data flow einzusetzen. Auf die Frage, wie sie dieses Ziel erreichen will, verweist Gabriel auf eine Impaktstudie zum Thema, die gerade in Bearbeitung sei. Im Hinblick auf Plattformen wie Uber und Airbnb oder auch Facebook und Google setzt Gabriel auf Freiwilligkeit und wenig Regulierung in den Bereichen fairer Wettbewerb oder im Umgang mit Fake News.

In ihren schriftlichen Antworten an das Europäische Parlament kündigt Gabriel außerdem an, die Cybersicherheitsstrategie der EU bis September überprüfen und ein neues Mandat in diesem Bereich für die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit schaffen zu wollen. Derzeit ausstehende Gesetzesvorlagen, denen Gabriel sich als nächstes widmen wird, sind die Reform des Urheberrechts und die Revision der Audio Media Service Directive, die nationale Gesetzgebungen im Medienbereich koordiniert. Gabriel will den „Electronic Communications Code“ durchsetzen und im Hinblick auf die umstrittenen BEREC-Leitlinien für elektronische Kommunikation die „bestmögliche Lösung“ in Zusammenarbeit mit Gesetzgebern finden. Datensicherheit und -schutz sowie Verbraucherschutz seien die wichtigsten Aspekte in der mobilen Telekommunikation, so Gabriel.

Überwiegend positive Reaktionen

„Sie setzt die richtigen Prioritäten“, lobte die SPD-Europaabgeordnete Martina Werner die zukünftige EU-Kommissarin im Hinblick auf Unterstützung kleiner Betriebe in der Digitalisierung oder Cybersicherheit. Auch die Grünen-Abgeordneten Jan-Philipp Albrecht und Helga Trüpel bewerteten die Anhörung als insgesamt positiv. Die Piraten-Abgeordnete Julia Reda twitterte, Gabriel habe schnell über digitale Themen gelernt, aber wenig Einblick in ihre persönlichen Überzeugungen gegeben. Kritik erhielt Gabriel vor allem widersprüchliche Aussagen im Hinblick auf Verschlüsselung. Während sie sich an einer Stelle für uneingeschränkte Verschlüsselung aussprach, schloss sie an anderer Stelle Hintertüren für Sicherheitsbehörden nicht aus.

Zur Halbzeit von Präsident Junckers Kommission ist der Großteil der legislativen Arbeit und die Ausarbeitung der Digitalen Strategie für Europa erreicht. Gabriels Aufgabe, die neuen Regeln auch durchzusetzen, ist dabei nicht zu unterschätzen. Viel Zeit hat die zukünftige EU-Kommissarin dafür allerdings nicht.

„Ein zweijähriges Mandat ist kurz“, weiß auch Gabriel.

Dann endet Junckers Präsidentschaft und neue Wahlen zum Europaparlament stehen an.

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