Erster UdL Digital Hub: Frauen und Roboter an die Macht

Virtuell dabei: Die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, Foto: Till Budde
Veröffentlicht am 18.07.2017

Geballte Frauenpower und eine Roboter-Pressesprecherin waren die Protagonisten beim UdL Digital Hub, der am 17. Juli erstmals im Telefónica BASECAMP stattfand. Bei der Premiere der „Zukunfts-Show“ waren die Gäste zugleich Programm – die Podiumsrunde diskutierte mit den beliebten Radio-Eins-Moderatoren Sven Oswald und Daniel Finger über die Chancen der Automatisierung und die Rolle von Frauen in der Digitalisierung.

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Mensch wird nicht überflüssig

Ob Industrie 4.0, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz: „Wir reden immer über dieselben Herausforderungen“, erklärte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am Montagabend. Dass das noch lange kein Grund für Pessimismus ist, findet auch Brigitte Zypries (SPD). Die Bundeswirtschaftsministerin, die wegen ihres gebrochen Armes nur virtuell anwesend war, meinte:

„Ich sehe immer mehr die Chancen und bei der Digitalisierung auch.“

Virtuell dabei: Die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, Foto: Till Budde

Roboter und andere intelligente Systeme werden in der Arbeitswelt der Zukunft viele Aufgaben übernehmen, die bisher von Menschen erledigt wurden. Zum Beispiel am Fließband oder sogar in der Pflege, das ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Doch die SPD-Politikerin hat keine Zweifel: „Der Mensch wird nicht überflüssig durch Roboter, da bin ich sicher.“

Das wurde auch beim UdL Digital Hub deutlich. Der gelegentlich dazwischen plappernde Roboter „Pepper“ muss noch an seinem Timing arbeiten, bevor er der das Moderatoren-Team kompetent ergänzen kann. Nach Ansicht von Dr. Joana Breidenbach, der Gründerin und inzwischen „Godmother“ des Think-and-do-tanks betterplace lab, findet derzeit aber eine „totale Neuevaluation“ des Konzepts Arbeit statt. Die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen verfolgt sie deshalb mit Spannung.

In welche Richtung wird es gehen?

Humanoide Roboter, die den Menschen viele Alltagsaufgaben abnehmen, so stellen viele sich die schöne neue KI-Welt vor. Nach Einschätzung von Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan, Spitzen-KI-Forscherin an der Universität Ulm, geht die Entwicklung aber in eine ganz andere Richtung: Intelligente Systeme, die sehr spezialisierte Aufgaben individualisiert auf den Menschen ausführen. Den Hype um sprachliche Interaktion mit Robotern – Stichwort: Befehle – sieht sie eher kritisch: „Das ist in Wirklichkeit noch sehr schwierig.“

Wie viel Automatisierung wir zulassen, ist auch eine gesellschaftliche Frage, erklärte Iris Plöger vom BDI und nennt als Beispiel Japan und den Pflegeroboter:

„Die japanische Gesellschaft ist eben aufgeschlossener, was die Interaktion zwischen Mensch und Maschine betrifft,“ so Plöger.

Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI brachte eine wirtschaftspolitische Sichtweise ein, Foto: Till Budde

Deswegen würden dort bereits viel mehr Pflegeroboter eingesetzt und sei die Akzeptanz für sie größer. Japan und Deutschland stünden aber vor ähnlichen demographischen Herausforderungen, das Potenzial gebe es auch bei uns, findet die Vertreterin der deutschen Industrie.

Doch der Erfolg von Automatisierung ist auch eine Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dass Roboter dem Menschen noch nicht gleichgestellt sind, „spürt“ zum Beispiel Yolandi, die Roboter-Pressesprecherin der ersten Roboter-Zeitarbeitsfirma Robozän. Sie war neben den menschlichen Diskutanten Gast auf dem Podium beim UdL Digital Hub und protestierte:

„Ich wäre gerne Geschäftsführerin, aber die aktuellen Gesetze erlauben das nicht. Das ist eigentlich Diskriminierung!“

Mit dieser und anderen rechtlichen Herausforderungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz muss sich nach der Bundestagswahl im September wohl auch die neue Bundesregierung auseinandersetzen.

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Yolandi, der freundliche Roboter von Robozän, lauscht gebannt der Musik von Missincat, Foto: Till Budde

Gründerinnen an die Macht!

Auch bei vier Frauen auf dem Podium der „Zukunfts-Show“, zwei davon Gründerinnen, lag ein Problem auf der Hand: die Teilhabe von Frauen an der Digitalisierung. Dass es gerade in der Start-up-Welt noch großen Nachholbedarf gibt, bemängelte die Bundeswirtschaftsministerin. „Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit der Situation“, sagte Zypries im Videointerview.

Dr. Claudia Nagel von KIWI bereicherte die Diskussion mit ihren Erfahrungen als Gründerin, Foto: Till Budde

Die Gründerin und Geschäftsführerin des Berliner Start-ups KIWI für digitale Schließanlagen, Dr.-Ing Claudia Nagel, berichtete davon, dass sie von Besuchern nicht selten als Office Managerin wahrgenommen werde. Daran hat sich die Unternehmerin bereits gewöhnt. Nach Ansicht der Bundesministerin hat dieses Ungleichgewicht in der deutschen Gründerszene mehrere Ursachen. Zum einen sei die Gründerkultur in Deutschland allgemein nicht gut ausgeprägt. Zum anderen gebe nach wie vor viele gute Angestelltenjobs bei Unternehmen. Sie will deswegen das Gründen allgemein attraktiver machen: „Scheitern muss dazugehören“, warb die SPD-Politikern für einen Mentalitätswechsel in Deutschland.

Das Problem, dass ein Großteil des Venture Capitals, das in Start-ups investiert wird, von Männern verteilt wird, betonte auch Joana Breidenbach. Sie hat mit dem betterplace lab die Situation von Gründerinnen in anderen Ländern untersucht.

Dr. Joana Breidenbach untersuchte die Situation von Gründerinnen in sechs Ländern, Foto: Till Budde

„Man kann sagen, Deutschland nimmt insgesamt einen Platz im Mittelfeld ein, aber in anderen Ländern, die wir untersucht haben, sind die Herausforderungen noch größer.“

Zum Beispiel in Indien. In den Co-Working-Spaces von Bangalore könne man denken, dass man in Berlin-Mitte ist, aber auf dem Land seien die Männer die „Gatekeeper der Digitalisierung“.

„Und das Schlimmste ist, dass die digitale Teilhabe von Frauen hat in den vergangenen Jahren sogar abgenommen hat“, so Breidenbach weiter.

Neue Frauenbilder der Digitalisierung

Informatikerin Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan brachte wissenschaftliche Expertise und offene Einblicke in den Lehrbetrieb in die Diskussion ein. Foto: Till Budde

Darüber, dass es vor allem strukturelle Probleme sind, die zu einer niedrigen Beteiligung von Frauen an der digitalen Welt führen, waren sich alle Teilnehmer des UdL Digital Hubs einig. „Die Bereitschaft ist da, aber die Rahmenbedingungen passen nicht,“ stellte Iris Plöger in Bezug auf die Wirtschaft fest. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei auch in der Wissenschaft und der Männerdomäne Informatik nach wie vor ein Problem, erklärte Professor Biundo-Stephan. Vor allem stört die Informatikerin aber das Frauenbild in den Medien, wo Informatiker immer als Nerds dargestellt werden: „Das ist wirklich voll das Klischee!“

Warum man in Deutschland immer noch mit einer mangelnden Begabung für Mathematik kokettieren geht, kann sie nicht verstehen. Claudia Nagel problematisierte die Rollenbilder, die in Kinderbüchern transportiert werden. Sie stellt aber auch fest: Entwickler tauchen in Kinderbüchern bisher noch nicht auf. „Das Rollenbild ist noch gar nicht besetzt“, so die ehemalige Unternehmensberaterin. Sie appellierte deshalb an junge Frauen, beispielsweise besser Spracherwerbs-Apps zu bauen als Logopädin zu werden.

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