Digitalkabinett, Digitale Agenda & Enquete-Kommissionen: Neue Instrumente der Digitalpolitik

Foto: CC BY-SA 2.0 Flickr User BriYYZ. Bildname: View of the Plenary Chamber of the Bundestag from the Dome of the Reichstag. Reconstruction design by Norman Foster. Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 10.07.2018

Trotz der Regierungskrise kam gerade etwas Fahrt in der Digitalpolitik auf. Am 27. Juni tagte jedenfalls zum ersten Mal das Digitalkabinett, das sich künftig separat von der regulären Kabinettsrunde trifft. In den kommenden Monaten soll der Digitalausschuss des Kabinetts, dem neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und all ihren Fachministern, Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU), Kultur- und Medienstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Regierungssprecher Steffen Seibert angehören, eine „Umsetzungsstrategie“ für alle Digitalvorhaben aus dem Koalitionsvertrag erarbeiten. So lautet der Arbeitsbegriff für die neue „Digitale Agenda“ für diese Legislaturperiode, für die die Digitalpolitiker der SPD schon einmal ihre Positionen abstecken. Somit muss die andere Koalitionsfraktion nun ebenfalls ihre Positionen definieren. Der Bundestag hat außerdem die beiden Enquete-Kommissionen eingesetzt.

Digitalkabinett

Die Themen bei der ersten Sitzung des Digitalkabinetts waren Künstliche Intelligenz, Blockchain und Arbeit 4.0. Die jeweiligen Ressortminister verbuchten dies als Zeichen für eine hohe Sensibilität für ihre jeweiligen Themen. Tatsächlich soll der Digitalausschuss des Kabinetts im Laufe der kommenden Monate alle im Koalitionsvertrag verabredeten Vorhaben zur Digitalisierung behandeln und in einer „Umsetzungsstrategie zur Steuerung der Digitalvorhaben“ bündeln. Die soll bei der gemeinsamen Klausur im November – pünktlich zum Digital-Gipfel der Bundesregierung am 3. und 4. Dezember – beschlossen werden. Im Gegensatz zur Bundesregierung tut sich die SPD-Bundestagsfraktion nicht schwer damit, diese Umsetzungsstrategie weiterhin „Digitale Agenda“ zu nennen.

Digitale Agenda 2.0

Im Positionspapier „Eine Digitale Agenda für alle“ setzen die sozialdemokratischen Digitalpolitiker im Bundestag einige neue Akzente – vergleicht man die Vorschläge mit dem SPD-Regierungsprogramm von 2017 und den im Koalitionsvertrag verankerten Vorhaben. Einerseits sind das neue Vorschläge zu alten digitalpolitischen Herausforderungen. So heißt es im Abschnitt zu „Bildung, Lehre und Forschung in einer digitalen Welt“, neben den Forderungen zur Aufhebung des Kooperationsverbotes und Umsetzung des Digitalpaktes, dass „Multi-Gigabit-Anschlüsse“ für wissenschaftliche Einrichtungen nötig sind. Auch sind die Überlegungen zum 5G-Ausbau detaillierter als zuvor, so müssten „New Generation Networks“ mit eingebauten Datenanalyse-kapazitäten im Rahmen des bereits geplanten Infrastrukturausbaus mitgedacht werden. Im Bereich IT-Sicherheit bleibt die Fraktion weitestgehend bei alten Forderungen, regt aber beispielsweise auch an, dass Risiken durch Bots eingedämmt werden müssten und es daher eine Kennzeichnungspflicht brauche.

Andererseits hat die SPD-Fraktion auch Positionen zu „neuen“ Regulierungsthemen entwickelt. Im Abschnitt zu „Algorithmen und Künstlicher Intelligenz“ fordern die Digitalpolitiker eine „kluge Regulierung von Datenzugangsrechten“ und gehen dabei dezidiert auf Datenarten mit unterschiedlichen Schutzansprüchen ein: zum einen Verkehrs-/Maschinen- und Geodaten, zum anderen personenbezogene Daten bzw. Daten, die aus dem Kommunikationsverhalten von Menschen entstehen. Zudem sollten Technologien – wie Blockchain – gefördert werden, die „die Qualität von Datensets sichern“. Während einem die Ideen zur stärkeren Kontrolle von Algorithmen bekannt vorkommen, gehen die SPD-Politiker in ihrem Positionspapier weiter und regen die Optimierung von Mensch-Maschine-Kommunikation an, auch um bessere Einblicke in algorithmische Entscheidungen zu erlangen. Darüber hinaus müsse das Kauf-, Vertrags- und Haftungsrecht für KI speziell weiterentwickelt werden und eine Art Monitoring für die Technologie-Entwicklung in diesem Bereich erfolgen, um eine bessere Risiko-Analyse durchführen zu können.

Ausschuss Digitale Agenda

Neben der Forderung nach einer „strategischen und zukunftsorientierten […] Digitalen Agenda“ sowie der „effektiven Koordinierung ihrer Umsetzung“ – die durch das neue Digitalkabinett und dessen Koordinierung durch Dorothee Bär gegeben sein dürfte – gehen die Mitglieder der SPD-Fraktion noch einmal darauf ein, wie ihrer Meinung nach eine „enge und kritische parlamentarische Begleitung“ aussieht: „Der Ausschuss Digitale Agenda soll für die parlamentarische Begleitung die Koordinierung und Federführung für die Planung, Steuerung, Vorbereitung und Durchführung der digitalpolitischen Vorhaben bekommen und zudem ein entsprechendes Monitoring der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie durchführen.“ Während die Oppositionsfraktionen mit Anträgen zur Erteilung der Federführung an den Ausschuss in der Vergangenheit gescheitert sind, dürfte das letzte Wort zu diesem Thema zwischen den Koalitionsfraktionen noch nicht gesprochen sein.

Foto: CC BY-SA 2.0 Flickr User BriYYZ. Bildname: View of the Plenary Chamber of the Bundestag from the Dome of the Reichstag. Reconstruction design by Norman Foster. Ausschnitt bearbeitet

Enquete-Kommissionen

Wie erwartet hat der Bundestag am 28. Juni die beiden Enquete-Kommissionen zur Künstlichen Intelligenz und zur beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt interfraktionell eingesetzt. Während die Koalitionsfraktionen angeben, alle Oppositionsfraktion eingeladen zu haben, sich an der Aufsetzung der Einsetzungsbeschlüsse und den letztendlichenen Anträgen zu beteiligen, bestanden die AfD-Redner in der Plenardebatte darauf, nicht gefragt worden zu sein. Letztendlich stimmten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Die Linke für die auch von den Grünen mitgestalteten Anträge. Letztere entschieden sich allerdings schlussendlich dafür, noch zwei Änderungsantrage einzubringen. Der kritische Punkt aus Sicht der Grünen war die nicht ausreichende Öffentlichkeitsbeteiligung im Zuge der Kommissionsarbeit. Nach Ansicht von Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, muss die Kommission auch in „geschützten Räumen“ diskutieren können, weshalb nicht alle Sitzungen öffentlich stattfinden könnten.

Zur Überscheidung der Fragestellungen, mit denen sich die KI-Enquete und die Daten-Ethikkommission der Bundesregierung beschäftigen werden, sagte Schön in der vergangenen Woche, dass man die Ergebnisse der Regierungskommission mit in die Debatte in der Enquete-Kommission einbeziehen wolle. Die Ergebnisse der Daten-Ethikkommission sollen im Sommer 2019 vorliegen, während die Enquete-Kommission erst im Sommer 2020 Handlungsempfehlungen aussprechen soll. Dass sich mehrere Gremien mit denselben wichtigen Fragen beschäftigen, sei eine Bereicherung.

Mitglieder

Während die Unionsfraktion erst nach der Sommerpause über die Zusammensetzung ihrer Mitglieder für die beiden Kommissionen entscheidet und auch noch nicht sicher ist, wer von ihnen den Vorsitz der Bildungs-Enquete übernimmt, sind andere Fraktionen schon weiter.

Mitglieder der der Enquete-Kommission zu KI

  • Für die SPD-Fraktion soll Daniela Kolbe den Vorsitz übernehmen, weitere ordentliche Mitglieder sind Falko Mohrs, Saskia Esken und René Röspel (Obmann). Als stellvertretende Mitglieder sind Bernd Rützel, Dirk Heidenblut, Siemtje Möller und der digitalpolitische Sprecher Jens Zimmermann vorgesehen.
  • Mario Brandenburg ist Obmann der FDP-Fraktion in der KI-Enquete, weiteres ordentliches Mitglied wird Daniela Kluckert. Manuel Höferlin, der digitalpolitische Sprecher der Fraktion, sowie Carlo Cronenberg sind Stellvertreter.
  • Die Linksfraktion schickt Petra Sitte als Obfrau und Jessica Tatti als weiteres ordentliches Mitglied in die Enquete. Stellvertreter sind Anke Domscheit-Berg und Alexander Ulrich.
  • Für die Grünen werden Anna Christmann, technologiepolitische Sprecherin, und Dieter Janecek, Sprecher für digitale Transformation, der Enquete-Kommission angehören. Die netzpolitische Sprecherin Tabea Rößner und der Startup-Beauftragte Danyal Bayaz sind stellvertretende Mitglieder.

Mitglieder der Enquete-Kommission zur beruflichen Bildung in der digitalen Arbeitswelt

  • Neben der Sprecherin/Obfrau Yasmin Fahimi werden seitens der SPD-Fraktion Michael Gerdes, Gabriele Katzmarek und Marja-Liisa Völlers zu ordentlichen Mitgliedern benannt. Ihre Stellvertreter: Josephine Ortleb, Ernst Dieter Rossmann, Uwe Schmidt und Rainer Spiering.
  • Die FDP-Fraktion entsendet Jens Brandenburg als Obmann und Thomas Sattelberger als weiteres ordentliches Mitglied in die Kommission. Ihre Stellvertreter: Nicola Beer und Manfred Todtenhausen.
  • Seitens der Fraktion Die Linke sind die bildungspolitische Sprecherin Birke Bull-Bischoff als Obfrau und Jutta Krellmann ordentliche Mitglieder. Sören Pellmann und ein noch nicht benanntes Mitglied werden Stellvertreter.
  • Unter Vorbehalt gibt die Fraktion der Grünen bekannt, dass voraussichtlich Beate Walter-Rosenheimer, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Margit Stumpp und Beate Müller-Gemmeke Mitglieder werden.

Die AfD-Fraktion hat ihre Mitglieder für die beiden Kommissionen in der Fraktionssitzung am Montag (2. Juli) bestimmt. Die Sachverständigen werden im Laufe der Sommerpause benannt.

Digitalrat

Ein organisatorisches Element fehlt noch in der Digitalpolitik: Der Digitalrat, der aus externen Experten bestehen und die Bundesregierung in Digitalisierungsfragen beraten soll, wird nach Tagesspiegel-Informationen nach der Sommerpause eingesetzt.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch ist Analystin für Netzpolitik.

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