Digitale Gesellschaft: Wie sich Wirtschaft und Verbände zur AfD positionieren

Credit: Pixabay User Hans
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Veröffentlicht am 11.03.2024

Der internationale Aufstieg rechtspopulistischer Parteien wurde lange Zeit von Wirtschaftsakteuren mehr oder weniger kommentarlos hingenommen. Im Vorfeld der diesjährigen Europawahl und besonders seit den Correctiv-Recherchen über rechtsradikale Vertreibungspläne gegen Millionen Menschen positionieren sich in Deutschland nun aber zunehmend Verbände und Unternehmen gegenüber der AfD. Eine aktuelle Veröffentlichung des Bitkom zu diesem Thema nehmen wir zum Anlass, um einen Blick auf einige Stellungnahmen zu werfen.

Der Digitalverband Bitkom hatte sich bisher mit Äußerungen zur AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, weitgehend zurückgehalten. Anfang März distanzierte sich der Verband nun aber deutlich von den Forderungen der Partei und warnt vor den Auswirkungen. Sollten diese umgesetzt werden.

Gegen die Interessen der digitalen Wirtschaft

In einem sechsseitigen Papier werden die Positionen der AfD aus der Perspektive der digitalen Wirtschaft eingeordnet, basierend auf Zitaten und Aussagen aus Wahlprogrammen, Reden, Interviews und weiteren Statements von führenden Politiker:innen der Partei. Das Fazit des Bitkom fällt dabei eindeutig aus:

„Die Ausrichtung der AfD steht den Zielen und Grundwerten Deutschlands digitaler Wirtschaft in fast allen Feldern diametral entgegen. Sie ist digitalpolitisch rückwärtsgewandt, gesellschaftlich auf Spaltung und Abgrenzung ausgerichtet und stellt den bisherigen demokratischen Rechtsstaat in Frage.“

Konkret werden sechs Themenfelder betrachtet, die aus Sicht des Bitkom einen direkten Einfluss auf die digitale Wirtschaft haben: Im Bereich Bildung wende sich die AfD gegen digitale Lehr- und Lernmethoden im Unterricht; bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz würden die Gefahren durch die Klimakrise geleugnet und die Potenziale digitaler Technologien ignoriert; im Bereich Technologie und Innovation schadeten die AfD-Forderungen der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und statt auf digitale Souveränität und internationale Kooperation setze die Partei je nach Branche auf Autarkie oder eine engere Ostbindung, was aufgrund globaler Wirkmechanismen der digitalen Wirtschaft wenig zielführend sei.

Warnung vor EU-Austritt und verschärftem Fachkräftemangel

Foto: CC0 1.0, Pixabay User geralt | Ausschnitt angepasst

Besonders kritisiert der Bitkom die Positionen der AfD zur Zuwanderung und zum europäischen Binnenmarkt. So hätte der geforderte EU-Austritt Deutschlands verheerende Folgen für die Wirtschaft, den Wohlstand und die Arbeitsplätze im Land. Die Konzepte der AfD für eine sogenannte „identitätswahrende Migrationspolitik“ würden bei ihrer Umsetzung zudem den aktuellen IT-Fachkräftemangel massiv verschärfen. Zumal die bereits vorhandene Lücke von ca. 150.000 offenen Stellen ohne Zuwanderung nicht geschlossen werden könne. Schon jetzt wirke der von der AfD mitbefeuerte Diskurs über die Begrenzung von Migration abschreckend auf Fachkräfte aus dem Ausland, wie eine Umfrage des Bitkom Ende 2023 gezeigt hat.

„Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sind nicht nur menschenverachtend, sie schaden auch der deutschen Wirtschaft, und zwar massiv.“ (Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst)

Eine ähnliche Position vertritt der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, der Ende Januar betonte, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleiben müsse und rechtsextremistische Parteien, einschließlich der AfD, dem Wirtschaftsstandort und Wohlstand hierzulande schadeten. Auch die Chefs großer, im Bereich der Digitalisierung tätiger Unternehmen wie SAP oder Infineon haben sich in diesem Jahr bereits gegen die AfD ausgesprochen und warnen vor den Gefahren für die größte europäische Volkswirtschaft.

Auch andere Branchen und Verbände äußern sich

Auffällig ist, dass sich Unternehmen und Verbände bis vor einiger Zeit eher „nur“ gegen Rechtsextremismus positioniert haben, die explizite Nennung der AfD in diesem Zusammenhang aber in den letzten Monaten – auch im Zuge der breiten gesellschaftlichen Proteste gegen die Partei – spürbar häufiger geworden ist.

Ein Beispiel für die sehr direkte Ablehnung der AfD-Positionen aus einem Bereich jenseits der Digitalbranche bietet ganz aktuell die bayerische Metallindustrie mit ihrem Aufruf „Entschlossen für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus“: In einer gemeinsamen Erklärung fordern die IG Metall Bayern und die bayerischen Metallarbeitgeberverbände ein Zeichen gegen rechtsradikale Hetze, wobei auch die AfD klar adressiert wird:

„Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, die AfD ist ein Wohlstands- und Sicherheitsrisiko für unser Land.“

Begründet wird dies ebenfalls mit den Fantasien der Partei über einen Austritt Deutschlands aus der EU sowie mit den hetzerischen Reden und Ausweisungsplänen gegenüber Menschen aufgrund ihrer Herkunft. Auch in weiteren Bundesländer positionierten sich zuletzt Unternehmen und Gewerkschaften in diesem Sinne. So etwa in Berlin, wo mehr als ein Dutzend Wirtschaftsverbände und Kammern eine entsprechende Erklärung unterzeichnet haben, oder auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Wie Deutschland aussehen könnte, wenn die AfD regieren würde, hat das ARD-Magazin Monitor übrigens versucht mithilfe künstlicher Intelligenz aufzuzeigen: Es ließ ChatGPT entsprechende Szenarien entwerfen, die redaktionell mit den aktuellen Forderungen der Partei abgeglichen wurden. Im Ergebnis wird dabei deutlich, dass die Befürchtungen der oben zitierten Verbände und Unternehmen nicht unberechtigt sind.

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