Der Bürgerdialog in der digitalen Sackgasse

Veröffentlicht am 02.09.2013

Hinter dem Code-Wort „Digital Responsetime“ verbirgt sich eine einfache Frage: Wie schnell und kompetent antworten die deutschen Parteien auf Bürgeranfragen über Facebook, das Kontaktformular der Website und per E-Mail?

Angesichts des Hypes um den Social Media-Wahlkampf, den diversen Leitfäden für Wahlkampfkommunikation und den sich negativen Untersuchungen zur Reichweite von politischer Kommunikation im Netz eigentlich eine ganz spannende Frage. Gestellt hat sie die Hamburger Beratungsagentur JOM Jäschke Operational Media, die damit die Servicequalität aller im Bundestag vertretenen Parteien und der Piratenpartei testen wollte.

Knifflige Themen brauchen mehr Zeit

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Gratulieren darf man nun der FDP, die zum digitalen Service-Testsieger gekürt wurde – gefolgt von Grünen und Linken. Insbesondere beim Kompetenz- und Qualitätsscore ging die FDP als klare Siegerpartei hervor. Laut Studie waren ihre Antworten im Vergleich zu den anderen Parteien vollständiger, individueller, schneller – und vor allem gab es überhaupt eine Reaktion auf die Anfrage. Am schlechtesten im Gesamtranking schnitten die SPD (5. Platz) und die CDU (6. Platz) ab.

Spannend ist, dass einige Fragestellungen deutlich langsamer bearbeitet wurden als andere. Auf Nachfragen zur Bankenregulierung, zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und zum Betreuungsgeld fanden die Parteien mit durchschnittlich 15 Stunden Bearbeitungszeit am schnellsten eine Antwort. Bei kniffligen Themen wie Mindestlohn (etwa 67 Stunden) und Auslandseinsätze der Bundeswehr (knapp 120 Stunden) benötigten die Mitarbeiter offenbar mehr Zeit für ihre Recherche oder ihre interne Abstimmung.

Schneckenpost statt rapid response

Obwohl die CDU gerade „Wahlkampf 3.0“ macht und auch die SPD die Möglichkeiten der modernen Kommunikation entdeckt, scheint der Facebook-Account der Parteien doch eher sendungs- als dialogorientiert zu sein. Die Anfragen über Facebook erzielten nämlich mit Abstand die wenigsten Antworten. Bei SPD und CDU war es nach Angaben der Studienmacher erst gar nicht möglich, auf diesem Weg eine Anfrage zu stellen. Am Ende wurden dann auch nur 29 Prozent der Anfragen über Facebook beantwortet, dagegen hatten sowohl die klassische Mail als auch das Website-Kontaktformular eine Antwortquote von 89 Prozent. Dafür können die kleinen Parteien mit Facebook punkten: Die Response-Quote der FDP war beim sozialen Netzwerk ebenso hoch wie bei den anderen Kanälen. Die Grünen waren dafür schneller – weniger als eine Stunde brauchten sie durchschnittlich, um sich zurückzumelden, während eine Antwort bei den Piraten etwa zwei Stunden dauert. Da die durchschnittliche Antwortzeit bei Facebook bei 18 Stunden lag, kann gerade bei den großen Parteien von „rapid response“ keine Rede sein. Auch 30 Stunden für die Beantwortung einer E-Mail oder doppelt so lange für eine Antwort auf das Kontaktformular scheinen im Zeitalter der ständigen Erreichbarkeit und dem schnellen Zugriff auf das Internet (zu) lang.

70 Prozent Bürgerdialog

Neben Schnelligkeit zählten bei der Auswertung aber auch Freundlichkeit und vor allem die Kompetenz der Antwort: Ob es eine individuelle oder eine Standardantwort war und ob die Frage unvollständig oder sogar falsch beantwortet wurde, gewichteten die Macher der Studie mit 50 Prozent. Grundsätzlich seien die Antworten der Parteien zufriedenstellend, so das Ergebnis, das Hauptaugenmerk lag allerdings auf der Konstanz, mit der überhaupt auf Anfragen der Wähler reagiert wurde. Unbeantwortet blieben nämlich etwa 30 Prozent aller Anfragen – ein enttäuschendes Ergebnis angesichts des Stellenwerts, den die Parteien dem Bürgerdialog offiziell einräumen.

Als Empfehlung gibt das Unternehmen JOM den Parteien mit auf den Weg, auch digital keine Versprechen zu machen, die sie nicht halten können. Allerdings erkennen die Autoren der Studie an, dass politischen Fragen komplex sein können und Nutzer von sozialen Netzwerken deshalb für eine fundierte Antwort bereit sein sollten, zwei oder drei Tage zu warten. Sie wagen aber auch die Prognose, dass künftig mehr lokale und regionale Themen über die digitalen Knotenpunkte kommuniziert werden, weil die Interaktion zwischen Wählern und Parteien in dieser Hinsicht noch steigen wird.

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