Das Kreuz(chen) der Sozialdemokraten

Veröffentlicht am 11.12.2013

SPD-Mitgliedern wird es derzeit wohl kaum langweilig. Erst diskutierten sie auf allen Ebenen das Ergebnis nach der Bundestagswahl, anschließend begleiteten sie lautstark die zähen und sehr langwierigen Verhandlungen einer möglichen Großen Koalition und nun schaut das ganze Land auf das Mitgliedervotum der Sozialdemokraten. Bei Twitter wird unter #mitgliedervotum wie üblich in ausgelassener, ehrlicher Art und Weise die politische Zukunft debattiert. Viele tragen ihren inneren sozialdemokratischen Kampf auf der Plattform aus und tun ihre Unentschlossenheit, meist aber eher ihre Abneigung kund. Positive Töne bei Twitter kommen häufig von den Abgeordneten selbst, die den Mitgliederentscheid als höchst demokratisches Element der Mitmachpartei SPD loben.

Werbung für GroKo und Querelen bei den Jusos

Im Verlauf der Debatte gab es dennoch einigen Anlass für Unmut unter den Genossen – der zuweilen kreative Formen annahm. Besonders viel Kritik rief die ganzseitige Anzeige in der BILD-Zeitung hervor. Von einer unangemessenen und noch dazu schlechten Investition war die Rede, denn laut Anzeigen-Liste kostet eine solche Werbeaktion 445.170 Euro. Bei rund 475.000 SPD-Mitgliedern hätte der Parteivorstand damit knapp 1 Euro pro Mitglied investiert, um für ein Ja-Kreuzchen zugunsten der Großen Koalition zu werben. Da sich die BILD während des Bundestagswahlkampfes  – und darüber hinaus – nicht gerade mit Wahlwerbung für die SPD hervorgetan hat, bezweifeln viele Mitglieder und ehrenamtliche Helfer die Moral und Sinnhaftigkeit dieser Pro-Groko-Anzeige.

Bei Twitter besonders beliebt waren die deutlichen Worte der Parteispitze an den sozialdemokratischen Nachwuchs auf ihrem Bundeskongress in Nürnberg – als Parodie. Der eindringliche Appell des SPD-Chefs hielt die Jusos allerdings nicht davon ab, gegen die Große Koalition zu stimmen. So läuft die Diskussion der Politiker bei Twitter über die Abstimmung konsequent weiter, wie man bei Bundestwitter in innovativer Darstellung verfolgen kann.

Bundesverfassungsgericht legitimiert das Mitgliedervotum

Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zum Mitgliedervotum wurde rechtzeitig vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Mehrere Bürger hatten Verfassungsbeschwerden und Eilanträge gegen die Abstimmung eingereicht. Es sei aber eine parteiinterne Angelegenheit, welche nicht die Gewissensfreiheit der Mitglieder einschränkt, begründete das Gericht seine Ablehnung. Wie die politischen Parteien ihren internen Willensbildungsprozess ausgestalten, können diese selbstständig entscheiden, erklärten die Richter in ihrer Entscheidung.

20 Prozent aller SPD-Mitglieder müssen an der Briefwahl teilnehmen – das ist die Bedingung für ein gültiges und bindendes Votum. Bereits eine Woche vor Ablauf der Frist am 12. Dezember ist die notwendige Anzahl an Stimmen erreicht worden – der Eingang von knapp 200.000 Wahlunterlagen wurde als Zwischenstand gemeldet. Am Wochenende wird schließlich das Ergebnis der Auszählung verkündet und damit der Weg frei für eine neue geschäftsfähige Regierung oder weitere Wochen der Regierungslosigkeit.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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