Abendmahl 2.0 – Wie soziale Medien das kirchliche Leben verändern

Veröffentlicht am 28.03.2013

Gastbeitrag: Von Pastor Bernd Tiggemann

Pfarrer bloggen über ihre persönlichen Glaubenserfahrungen und teasern ihre Beiträge in den etablierten sozialen Netzwerken an. Gemeindemitglieder werden über Facebook nach ihrer Meinung gefragt. Predigten gibt es zum Hören bei Soundcloud oder als Video bei Youtube. Eine evangelische Landeskirche twittert jeden Mittag ein Gebet als Nachtisch für die Seele. Die Jugendreferentin lädt im Social Web zu Veranstaltungen ein. Und so manches kirchliche Gremium nutzt bereits die kollaborativen Möglichkeiten in der Cloud.

Heute ist Gründonnerstag. Der Tag, an dem Jesus nach biblischer Überlieferung mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Ohne Smartphone und Cloud. Dafür mit Brot und Wein, wie es für ihn als Juden zum Pessachfest üblich war.

Wenn in evangelischen und katholischen Kirchen heute Abend Gottesdienste gefeiert werden, dann steht häufig die Gemeinschaft im Mittelpunkt, die Jesus mit seinen Jüngern an jenem Abend hatte. Ganz analog. Nicht selten mit einem Tisch in der Mitte, um den herum die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher sitzen. Leonardo da Vinci lässt grüßen.

Funktioniert diese Form der Gemeinschaft im Social Web? Wie steht es mit dem Abendmahl 2.0? Banal aber wahr: Brot und Wein oder Oblate und Traubensaft lassen sich schlecht digitalisieren. Gemeinschaft aber sehr wohl. Beispiel: Twitter-Gottesdienste. Zu den Kirchgängern gesellen sich Teilnehmer, die den Gottesdienst über Twitter verfolgen. Neben die versammelte Gemeinde tritt eine virtuelle Gemeinde, die zugleich sehr real ist.

Etwa, wenn alle zusammen – #Hashtag sei Dank – einen Predigtgedanken diskutieren. Oder wenn jeder, der möchte, ein persönliches Gebetsanliegen beisteuert. Sämtliche Beiträge werden als Twitterwall an die Wand gebeamt. So haben auch die Menschen etwas davon, die ohne Smartphone in der Kirche sitzen. Und beide Seiten, ob anwesend oder nicht, haben das Gefühl, Teil der Gemeinschaft zu sein.

Gottesdienst auf twitter

Der Twitter-Gottesdienst ist nur ein Beispiel. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich interaktive Elemente auch auf andere Formate übertragen lassen. Warum nicht einen digitalen Hauskreis gründen? Oder ein Friedensgebet zum Mitmachen im Social Web starten?

Wenn die Grenzen des Kirchraums und Gemeindegrenzen bei der Kommunikation des Evangeliums nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, dann stehen die Chancen gut, Menschen mit neuen innovativen Formaten zu erreichen, die sich weder einer Ortsgemeinde zugehörig fühlen noch auf die Idee kämen, einen Gottesdienst zu besuchen. Zugleich würde die Kirche niedrigschwellige Kontaktmöglichkeiten schaffen und dadurch signalisieren, dass sie ansprechbar ist – jenseits von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuerzahlungen. Einseitige Kommunikationsstrukturen könnten durch interaktive und multidirektionale Elemente aufgebrochen werden.

Den Horizont erweitern

Ein Blick über den Horizont der eigenen Gemeinde hinaus tut uns als Kirche gut. Und den Menschen, die sich in sozialen Netzwerken wie zuhause fühlen vielleicht auch. So könnten Gemeinden wachsen, auch wenn die Zahl der „realen“ Gottesdienstbesucher sinken sollte.

Über den Autor: Bernd Tiggemann ist Leiter der Internetarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion