Standpunkt: Energieinfrastruktur und Mobilfunk – Einordnung der aktuellen Debatte
 
													 
													Von Jörg Borm und Christian Groeneveld
Seit Jahrzehnten nutzt O2 Telefónica Hochspannungsmasten, Windkraftanlagen, Silos oder andere hohe Gebäude als Antennenträger – sofern sinnvoll und technisch möglich. Der Vorteil liegt im zügigeren Aufbau von neuen Mobilfunkanlagen. Im vergangenen Jahr nun wies der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einem Positionspapier darauf hin, die Infrastruktur der Energieunternehmen würde kaum genutzt werden. Auch eine aktuelle, vom BDEW beauftragte Studie der WIK-Consult befasst sich mit dieser Aussage. Dies führte zu einer kontroversen Debatte, ob die Infrastruktur von Energieunternehmen geeignet sei, den weiteren Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland zu beschleunigen. Dies insbesondere in den noch unversorgten Gebieten, den sogenannten „weißen Flecken“.
Doch genaugenommen ist die Debatte nicht zielführend: O2 Telefónica nutzt bereits die passive Infrastruktur der Energieversorger, wann immer dies technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Aktuell betrifft dies mehr als 500 Standorte im Bundesgebiet. Mit einzelnen Energieversorgern hat O2 Telefónica dazu Rahmenverträge geschlossen. Zudem berücksichtigt die Studie nicht alle Aspekte, die für eine vollumfängliche Betrachtung des Themas wichtig wären. Die Folge: Die vereinfachte Darstellung ist aus Sicht von O2 Telefónica nicht korrekt.
In diesem Beitrag nennen wir kompakt einige der Gründe, die der Installation von Antennen an der Infrastruktur von Energieunternehmen oftmals entgegenstehen:
- Für eine Nutzung von Hochspannungsmasten müssen alle Kriterien an die anspruchsvolle Statik eines Mobilfunkmasten erfüllt sein, die diese jedoch häufig konstruktionsbedingt nicht erfüllen.
- Die erhöhten statischen Anforderungen ergeben sich unter anderem aus der Nutzung einer Vielzahl von Frequenzbändern und dadurch bedingt dem Einsatz zunehmend größerer Antennenflächen, die ein höheres Gewicht und eine höhere Windlast zur Folge haben.
- Eine statische Ertüchtigung von Hochspannungsmasten für mehrere Netzbetreiber oder die Durchführung technischer Upgrades, beispielsweise eine Erweiterung von 4G auf 5G oder die Installation neuer Antennen, ist häufig nicht möglich oder mit einem immensen Aufwand verbunden, der die Wirtschaftlichkeit eines solchen Standortes in Frage stellt.
- Häufig sind die nutzbaren Bereiche an Hochspannungsmasten für die Antenneninstallation und die Anbindung mit Richtfunk nicht hoch genug (unterhalb der ersten Traverse). Die mangelnde Höhe führt in der Konsequenz zu einer schlechteren Mobilfunkversorgung (= geringere Reichweite).
- Viele Strommasten befinden sich auf freier Fläche, beispielsweise auf Äckern oder in Landschafts- oder Naturschutzgebieten. Aufgrund einer fehlenden Zuwegung sind diese somit nur sehr schwer oder gar nicht erreichbar.
- Mobilfunkmasten oder -standorte werden heute in der Regel stets von mehreren Netzbetreibern Doch technische Infrastrukturen wie Hochspannungsmasten sind dafür nicht ausgelegt. Durch jeden weiteren Mobilfunknetzbetreiber steigt die Anzahl der Antennen und schlussendlich das Gewicht und die Windlast an einem Standort. Hochspannungsmasten sind häufig nicht einmal für die Nutzung durch einen Netzbetreiber geeignet – dies schließt dann automatisch die Nutzung mehrere Mobilfunknetzbetreiber aus.
- Aus finanziellen, operativen und Arbeitsschutzgründen ist die Nutzung oberhalb der ersten Traverse, also oberhalb der Stromleitungen, nur eingeschränkt möglich. Aufgrund spezieller Arbeitsschutz- und Sicherheitsauflagen ist die Wartung und Reparatur von Mobilfunkanlagen nur mit speziellen und darauf ausgebildeten Subunternehmen möglich. Dies führt bei einer technischen Beeinträchtigung zu starken zeitlichen Verlusten.
- Erhöhte Abstimmungsaufwände sind häufig eine weitere Herausforderung. So sind im Falle fehlender Rahmenverträge spezielle Absprachen mit Energieversorgern und Eigentümern notwendig, zudem wird in der Regel eine Umwidmung des Strommasts in einen Mobilfunkmast aus baurechtlichen Gesichtspunkten erforderlich.
- Nicht selten ist die Stromanbindung für die Mobilfunktechnik problematisch: Die Mittel- oder Hochspannung der über die Masten geführten Leitungen ist nicht direkt nutzbar. Daher wären Transformatoren am Boden nötig, um die Mittel- oder Hochspannung auf eine nutzbare Niederspannung (230V/400V) zu wandeln.
- Vielfach stehen die Masten der Energieunternehmen auch nicht dort, wo sie stehen müssten, damit die Mobilfunknetzbetreiber eine Mobilfunkversorgung im Sinne der Verbraucher und der Vorgaben der Regulierungsbehörde (BNetzA) herstellen können. Sie passen häufig nicht in die Netztopologie und die bestehenden Funknetzplanungen.
- Der Bau von Mobilfunkmasten ist häufig schneller sowie kosten- und betriebsgünstiger als die Nutzung von Hochspannungsmasten.
Weitere Argumente gegen die Nutzung passiver Energieinfrastrukturen
Auch erhöhte Kosten verhindern eine häufigere Nutzung der passiven Infrastruktur von Energieunternehmen:
- Die von den Energieunternehmen verlangten Entgelte zur Nutzung ihrer passiven Infrastruktur sind häufig nicht marktüblich bzw. -gerecht, daher ist die Nutzung für Mobilfunkunternehmen oftmals kommerziell unattraktiv.
- Die Wartungskosten sind an Hochspannungsmasten und Windkraftanlagen in der Regel doppelt so hoch im Vergleich zu gewöhnlichen Funkmasten.
- Wartungsarbeiten führen zur Unterbrechung der Stromübertragung an Hochspannungsmasten und damit zu finanziellen Ausfällen. Diese Ausfälle müssen in der Regel durch den Mobilfunkanbieter kompensiert werden, was die wirtschaftliche Attraktivität der Standorte für Mobilfunknetzbetreiber massiv beeinträchtigt.
Darüber hinaus ergeben sich bei einer Nutzung von Hochspannungsmasten grundsätzlich deutlich längere Realisierungszeiten und höhere Kosten als bei Stahlgitter- oder Schleuderbetonmasten (doppelter bis dreifacher Zeitaufwand).
Fazit: Installationen von Antennen an Energieinfrastrukturen sind nicht immer zielführend

Eine Installation von Mobilfunkanlagen an Hochspannungsmasten oder anderen Infrastrukturen bleibt in aller Regel eine Ausnahme- sie ist technisch, betrieblich und wirtschaftlich sehr herausfordernd. Eine bessere Option ist in aller Regel der Bau von Stahlgitter- oder Schleuderbetonmasten, welche von mehreren Netzbetreibern genutzt werden können und genau dort stehen, wo sie benötigt werden. Das Ziel der Ausbauaktivitäten von O2 Telefónica ist und bleibt es, eine bestmögliche Mobilfunkversorgung für die Kundinnen und Kunden sicherzustellen. Dieser Auftrag erfolgt entlang der Vorgaben der Regulierungsbehörde (BNetzA) und damit den geltenden Versorgungsauflagen.
Um den Netzausbau tatsächlich zu beschleunigen, wäre in erster Linie eine Unterstützung der Energieunternehmen an anderer Stelle begrüßenswert, nämlich der zügigen Anbindung neuer Mobilfunkstandorte an die Energieversorgung – und dies zu angemessenen Kosten.
 
								 
								 
								 
								 
								 
								 
							 
							 
							 
							 
							