Medienstaatsvertrag: Stellungnahmen zum zweiten Entwurf

Foto: CC0 1.0, Pixabay User mohamed_hassan| Montage
Foto: CC0 1.0, Pixabay User mohamed_hassan| Montage
Veröffentlicht am 27.08.2019

Foto: CC0 1.0, Pixabay User mohamed_hassan| Montage
In der zweiten Beteiligungsphase zum Entwurf des Medienstaatsvertrags (MStV) haben ungewöhnlich viele Verbände ihre Positionen eingebracht. Dabei habe sich der Schwerpunkt der Eingaben von Rundfunkzulassungsfragen hin zu Plattform- und Intermediärsregulierung verschoben, heißt es aus der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Das Land hat traditionell den Vorsitz der Rundfunkkommission inne, in der sich die Länder zur Medienregulierung abstimmen. Mit 70 Verbändeeingaben seien in der zweiten Anhörung rund doppelt so viele Rückmeldungen eingegangen wie beim Entwurf des Vorgängers, dem 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahr 2018.

Vom 3. Juli bis zum 9. August lief die Frist für Stellungnahmen zum zweiten Entwurf des Medienstaatsvertrags. Der erste Entwurf war nach einer Online-Beteiligung im Sommer 2018 angepasst und überarbeitet worden. Aufgrund des digitalen Medienwandels treten in der Novelle zahlreiche neue Akteure in den Fokus der Medienregulierer, allen voran sogenannte Intermediäre wie Facebook und Google sowie Medienplattformen wie Zattoo.

In der aktuellen, zweiten Runde der Anhörung habe es wenige Rückmeldungen gegeben, die sich insgesamt gegen die Regulierung von Medienplattformen und -intermediären wandten, heißt es aus der Staatskanzlei. Die Unternehmen und Verbände widmeten sich vielmehr im Detail den einzelnen Regelungen. Grund zur Freude sei außerdem, „dass wir diesmal nicht eine einzige unsachliche oder beleidigende Eingabe erhalten haben“, erklärte Heike Raab, Staatssekretärin für Medien und Digitales in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.

Intermediäre und Plattformen – Streit um Definitionen

Der Entwurf unterscheidet bei neuen Medien grundlegend zwischen Medienplattformen und Medienintermediären. Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet „Plattform“ dabei einen Dienst, der verschiedene Rundfunkprogramme und Video-on-Demand-Dienste zu einem Gesamtangebot zusammenfasst – etwa die Streaming-Dienste MagentaTV der Telekom und Zattoo. „Intermediär“ hingegen bezeichnet einen Service, der einzelne Inhalte aggregiert, selektiert und präsentiert, ohne sie jedoch zu einem festen Angebot zusammenzufassen – etwa soziale Netzwerke und Suchmaschinen, deren Inhalte sich ständig ändern. Der erste Entwurf aus dem Sommer 2018 nannte als Intermediäre noch explizit „Suchmaschinen, Soziale Netzwerke, App Portale“ und weitere Beispiele. In der aktuellen Fassung wurde diese Liste jedoch gestrichen – dem Vernehmen nach, um auch zukünftigen, neuen Medien gegenüber offen zu sein. Genau vor solch einer Abstraktion hatten allerdings die Juristen Wolfgang Schulz und Stephan Dreyer vom Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung beim ersten Entwurf gewarnt, ebenso die ARD in ihrer aktuellen Stellungnahme.

pixabay-cuncon-ipad-1721428-1280x720
Foto: CC0 1.0, Pixabay / cuncon | Ausschnitt bearbeitet

Insbesondere konkrete MStV-Definitionen, etwa der Begriffe „rundfunkähnliches Telemedium“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 12 MStV-E), „Medienplattform“ (Nr. 13), „Benutzer-oberfläche“ (Nr. 13a) und „Medienintermediär“ (Nr. 13b), sind daher Objekte zahlreicher Stellungnahmen. Sie entscheiden, welche Akteure unter die neuen Vorschriften fallen – und finden mit dem Medienstaatsvertrag zum ersten Mal Eingang in eine Reform der Medienregulierung der Länder. So ist aus Perspektive des Bitkom auch im zweiten Entwurf die Definition der Medienplattform zu weit, eco schreibt insgesamt von „weiterhin unklaren bzw. sich überschneidenden Begriffsdefinitionen“.

Anderer Ansicht sind hier ARD und ZDF, die etwa mit Blick auf Medienintermediäre eine weiter-gefasste Formulierung wünschen. Im aktuellen Entwurf fallen lediglich solche Intermediäre unter die Regulierung, die „auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter“ präsentieren. Diese Einschränkung möchten ARD und ZDF gern entfernt wissen.

Split-Screen, Bild-in-Bild und Sortierungen

Ein Verbändebündnis aus Bitkom, ANGA, eco und ZVEI wandte sich nun insbesondere gegen die geplanten Vorschriften für Medienplattformen und Benutzeroberflächen (wie Smart TVs). Diese sollen gemäß MStV-E strengen Regeln unterliegen, ob und wie sie das Fernsehbild verändern dürfen: „Funktionen wie Bild-in-Bild oder Split-Screen, bei denen der Nutzer zwei Programme gleichzeitig ansehen kann, sollen ohne Erlaubnis der beteiligten Sender gar nicht mehr zulässig sein“, schreiben die Verbände unter Bezug auf § 52a Abs. 3 und 4 MStV-E. Was die Digitalverbände kritisieren, begrüßen erwartungsgemäß die Vertreter von Rundfunksendern wie ARD und ZDF in ihren Stellungnahmen.

Staatssekretärin Raab gibt sich allerdings zuversichtlich, die Kritik der Digitalverbände mit dem finalen Entwurf ausräumen zu können:

„Bild-im-Bild, Splitscreen, individuelle Sortierung von Inhalten […] sind Bestandteil einer modernen Mediennutzung und daher selbstverständlich auch weiterhin zulässig. Wir wollen aber auch sicherstellen, dass die Entscheidungen von den Nutzerinnen und Nutzern persönlich getroffen werden und nicht im Dickicht der Geräteeinstellungen verschwinden.“

Jugendschutz und Werbung

Ein großer Teil der Eingaben widmet sich außerdem dem Thema Jugendschutz, das von einigen Änderungen im Medienstaatsvertrag ebenfalls betroffen ist. Diese jedoch setzte lediglich Vorgaben der Audiovisuelle-Mediendienste-Richtlinie der EU (AVMD-Richtlinie) in nationales Recht um, heißt es aus der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Parallel arbeiten die Länder derzeit gemeinsam mit dem Bund an einer umfassenderen Reform des Jugendschutzrechts, in der diverse weitere Punkte geregelt werden sollen. Es sei daher ein Missverständnis, vom kommenden Medienstaatsvertrag den großen Wurf im Bereich Jugendschutz zu erwarten.

unsplash-jens-kreuter-85328-128x720
Foto: Unsplash User Jens Kreuter | Ausschnitt bearbeitet

Auch neue Werbevorschriften sind Teil des zweiten Entwurfs. Derzeit lässt § 45 des Rundfunkstaatsvertrags maximal 20 Prozent Werbung pro Stunde zu. Der aktuelle Entwurf bezieht das 20-Prozent-Limit jeweils auf die Zeiträume von 6 Uhr bis 18 Uhr sowie von 18 Uhr bis 24 Uhr – und flexibilisiert die Werberegeln damit. Allerdings stehen die entsprechenden Regeln noch in eckigen Klammern im Entwurf, die Länder sind sich hier also noch nicht einig.

Ausblick

Anknüpfend an die schriftlichen Stellungnahmen führt Rheinland-Pfalz als Vorsitzland der Rundfunkkommission nun Gespräche mit den einreichenden Institutionen. Eine Entscheidung über den finalen Medienstaatsvertrag solle noch dieses Jahr fallen, kündigte Staatssekretärin Raab am 13. August an. Ursprünglich war eine Verabschiedung auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober vorgesehen. Nach der neuen Ankündigung Raabs würde auch das Treffen der Länderchefs im Dezember noch in den möglichen Zeitplan fallen. Viel mehr Zeit bleibt den Ländern für die Reform allerdings nicht: Bis September 2020 muss die AVMD-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein.

Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz plant, die Stellungnahmen der Unternehmen und Verbände in den kommenden Wochen auf ihrer Website zu veröffentlichen.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion