Digitalisierung stagniert in Deutschland

Veröffentlicht am 12.03.2015

Was die digitale Entwicklung in Deutschland angehe, sei das Glas halb voll, meinte Detlef Dauke, Leiter der Abteilung Innovations-, IT- und Kommunikationspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Fachkonferenz „Digitale Gesellschaft“ am Donnerstag, 05. März 2015. Er verwies dabei auch auf die aktuellen Ergebnisse des europäischen „Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft“, nach dem Deutschland den zehnten Platz unter den 28 Mitgliedsstaaten der EU einnehme. Die Fachexperten, die bei der Veranstaltung der Initiative D21 zur Diskussion der Ergebnisse des D21-Digital-Index eingeladen waren, sahen allerdings noch erheblichen Entwicklungsbedarf in der Gesellschaft und beklagen ein Handlungsdefizit bei den politischen Rahmenbedingungen.

Enttäuschung über die Digitale Agenda

So zeigte sich Dr. Constanze Kurz „etwas enttäuscht“ von dem Bericht der Bundesregierung zum Stand der Umsetzung der Digitalen Agenda, wie es die Sprecherin des Chaos Computer Clubs diplomatisch formulierte. Im Bereich der digitalisierten Arbeit sei bisher kaum etwas passiert, dabei werde die Hälfte der heutigen Jobs in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung transformiert werden, so die IT-Expertin. Schon heute könnten Roboter sehr viel mehr kognitive und kreative Prozesse übernehmen als dies vor zehn Jahren möglich war. Dringenden Handlungsbedarf sieht Constanze Kurz auch bei der IT-Sicherheit. Der Snowden-Skandal sei auch ein Wirtschaftsspionage-Skandal und habe gezeigt, wie brüchig die IT-Infrastruktur in Deutschland sei. Viele kleine und mittelständische Betriebe hätten das erkannt und würden entsprechende Dienstleistungen anbieten, aber längst nicht alle hätten das Problem verstanden. Neben der NSA hätte auch die Privatwirtschaft illegal Zugriff auf die Daten, dieser Bereich mache 80 Prozent aus. „Man kann aber nicht die Digitalisierung von Arbeit weiterentwickeln und die Basis vernachlässigen“, warnte die Vertreterin des Chaos Computer Clubs.

Internetnutzung in Deutschland stagniert

Halbvoll würde er das Glas auch noch nicht nennen, schloss sich Dr. Malthe Wolf von TNS Infratest in seinem Impulsvortrag „Digitalisierte Gesellschaft und Wirtschaft – Wo steht Deutschland heute?“ den kritischen Worten seiner Vorgängerin an. Wie man den Ergebnissen des D21-Digital-Index 2014 entnehmen könne, stagniere die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland. Wenn man die Sterblichkeitsrate herausrechnete, handele es sich sogar um eine Minusentwicklung, so der Wissenschaftler. „20 Millionen Bundesbürger nehmen wir derzeit bei der Entwicklung nicht mit“, erläuterte Wolf.

Um für morgen, für die Industrie 4.0 fit zu sein, unternehme Deutschland insgesamt zu wenig. Die Qualität der Ausbildung und Weiterbildung in punkto Digitalisierung hinke massiv hinterher, u.a. weil es zu wenig Weiterbildungsangebote im Betrieb gebe. Seiner Ansicht nach werden in Zukunft immer mehr einfache Berufe wegfallen, zum Beispiel in der Pflege durch die Weiterentwicklung der Pflegeroboter. Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt erwarte er deutlich früher als in 30 Jahren. „Im Grunde bilden wir heute Verlierer aus“, befand der Head of Future Research Center der TNS Infratest. Die Unternehmen würden nach Fachkräften schreien, aber Schule und Ausbildung stellten diese Fachkräfte nicht zur Verfügung. Der Föderalismus sei an dieser Stelle ein großes Problem. Für 61 Prozent der Unternehmen sei der Fachkräftemangel bereits ein Wachstumshemmnis. Die Zahl werde steigen, prognostizierte Wolf.

Zeit zu handeln

Insgesamt sei die Digitalisierung in Deutschland seiner Meinung nach noch nicht vollständig verstanden und priorisiert worden. Ideen seien vorhanden, aber es mangele an der Umsetzung. „Das Zeitfenster für die Entwicklung beginnt sich zu schließen, jetzt ist Zeit zu handeln“, forderte Malthe Wolf.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring „Berliner Informationsdienst“ auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

 

 

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