Digitale Plattformen: BMWi legt Weißbuch vor

Foto: BMWi / Herr Müller
Veröffentlicht am 21.03.2017

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat sein Weißbuch zu digitalen Plattformen vorgelegt. Staatssekretär Matthias Machnig stellte das 113-seitige Papier am 20. März auf der CeBIT in Hannover vor. Es trägt den Titel „Digitale Ordnungspolitik für Wachstum, Innovation, Wettbewerb und Teilhabe.“ In dem Weißbuch wird an vielen Stellen darauf verwiesen, dass der Rahmen in der EU gesetzt werden müsse. Es enthält aber auch einige Ankündigungen für nationale Gesetzesänderungen und den Vorschlag für eine neue Digitalisierungsbehörde mit dem Namen „Digitalagentur.“ Das Leitmotiv des Papiers lautet:

„Wir verfolgen den dritten Weg zwischen einem digitalen Laissez-faire und einem etatistisch organisierten Aufrüst- und Modernisierungsprogramm.“

Der Handlungsteil des Weißbuchs teilt sich in fünf Abschnitte:

  • „Wettbewerb fördern und fair gestalten
  • Eine moderne Datenökonomie schaffen
  • Gigabitfähige Infrastrukturen flächendeckend errichten
  • Eine demokratische Digitalkultur sichern
  • Digitale staatliche Kompetenz und institutionelle Struktur.“

Das BMWi sieht im Wettbewerbsrecht ein wichtiges Mittel, um die Entwicklung der Märkte unter den Bedingungen der Digitalisierung zu gestalten. An mehreren Stellen wird die am 9. März vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedete neunte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als wichtiger Schritt gelobt. Die GWB-Novelle steht am 31. März zur zweiten Beratung auf der Tagesordnung des Bundesrates. Über die schon erfolgten Änderungen des Wettbewerbsrechts hinaus kündigt das BMWi an, gesetzliche Erleichterungen für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen zu prüfen.

Ein eigener Abschnitt im Bereich Wettbewerbsrecht des Weißbuchs beschäftigt sich mit dem „Level Playing Field für OTT“:

„Wir wollen, dass Messenger-Dienste und andere OTTDienste den gleichen Regeln bei Kundenschutz, Datenschutz und Sicherheit unterliegen wie die klassischen Telekommunikationsdienste, mit denen sie konkurrieren. Wir setzen uns daher auf europäischer Ebene für einen zukunftsfesten Rechtsrahmen ein“, fasst das BMWi seine Position zusammen.

Während an vielen anderen Stellen des Papiers die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur Regulierung des Digitalen Binnenmarktes gelobt werden, kritisiert das Ministerium die vorgeschlagene Trennung nach nummernbasierten und nichtnummernbasierten Diensten:

„Die vorgeschlagenen starren Definitionen erscheinen jedoch nicht geeignet, um mögliche Herausforderungen hinsichtlich einer noch viel stärkeren Verlagerung hin zu nichtnummernbasierten Diensten zu bewältigen.“

Damit die Wettbewerbsaufsicht problematische Entwicklungen auf den dynamischen Märkten schnell erkennt, hält das BMWI eine stärke Marktbeobachtung für nötig. Dazu sollen die Regulierungsbehörden mit den notwendigen Befugnissen und Ressourcen ausgestattet werden.

Moderne Datenökonomie

Bei der Regulierung der „modernen Datenökonomie“ setzt das Weißbuch auf zwei Prinzipien: Zum einen soll die Rechtssicherheit bei der Nutzung von Daten erhöht werden, zum anderen möchte das Ministerium „Datensouveränität als Leitgedanken im Datenschutz etablieren“. Die Frage, wem Daten „gehören“ und wer sie in welchem Umfang nutzen darf, sei eine der Schlüsselfragen für die digitale Wirtschaft. Beim Konsultationsprozess zur Mitteilung der EU-Kommission „Building a European Data Economy“ vom 10. Januar will das BMWi dafür werben,

„dass es einerseits Rechtssicherheit bei Verträgen gibt, die das Nutzungsrecht an Daten zwischen beteiligten Parteien klären, und dass gleichzeitig keine wettbewerbshemmenden Beschränkungen beim Zugang zu Daten entstehen.“

Im Weißbuch werden auf Ebene der Europäischen Union mehr einheitliche Standards für Vertrauensdienste gefordert, wie elektronische Signaturen, Siegel, Zeitstempel für Zustelldienste und Webseitenauthentifizierung. Nur so entstehe auch auf dem Markt für elektronische Vertrauensdienste ein echtes Level Playing Field. Die eIDAS-Verordnung der EU (910/201(4EU)) möchte das BMWi mit einem Vertrauensdienstegesetz (VDG) auf nationaler Ebene ergänzen bzw. konkretisieren. Der Entwurf sei bereits entwickelt.

Elektronische Siegel und Einschreiben

In anderen Ressorts will das Wirtschaftsministerium insbesondere für eine breitere Verankerung der elektronischen Siegel und für wirksame elektronische Einschreiben werben. Die elektronischen Vertrauensdienste müssten Einzug ins Verwaltungs-, Zivil- und Verfahrensrecht halten. Insgesamt müssten zahlreiche Gesetze fortentwickelt werden, die die Identifizierung von Personen vorsehen: „Verbraucher sollen innovative und medienbruchfreie Methoden nutzen können und dabei auf die Sicherheit der Identifizierung vertrauen können.“

One Pager

Digitale Plattformen sollen grundlegenden Transparenzverpflichtungen unterliegen. Das BMWi setzt sich dabei für das Instrument des One Pagers ein –

„eine auf das Wesentliche beschränkte Informationen über die relevanten Leistungs- und Vertragsinhalte.“

Damit sollten Verbraucher bspw. darüber informiert werden, wenn ihre Daten bei der Nutzung eines für sie kostenlosen Dienstes monetarisiert werden. Außerdem sollten sie bei diesen Diensten ein „vergleichbares Schutzniveau genießen wie bei kommerziellen Diensten, die Geld in Rechnung stellen. In diesem Fall stellt der im Rahmen eines Selbst- und Ko-Regulierungssystems eingesetzte One Pager eine sinnvolle Alternative zu rein staatlicher Regulierung dar“, heißt es im Weißbuch.

Reform des AGB-Rechts

In dem Papier wird außerdem eine Reform des AGB-Rechts angekündigt. Das deutsche AGB-Recht gelte im Hinblick auf Verträge zwischen Unternehmen im europäischen Vergleich als zu streng. Daher werde im B2B-Bereich das deutsche Recht oft durch die Wahl ausländischer Rechtsordnungen umgangen.

„Wir wollen, dass das AGB-Recht mit Blick auf die Datenökonomie modernisiert wird“, steht dazu im Weißbuch. „Dafür müssen bei der Prüfung, ob Klauseln in AGB zwischen Unternehmen angemessen sind, innovative Geschäftsmodelle stärker berücksichtigt werden. Außerdem müssen hinsichtlich der Klauseln zur Datennutzung die Regeln konkretisiert werden. Gleichzeitig wollen wir die Rechte der Verbraucher stärken und die AGB-Kontrolle als Ergänzung zum Datenschutz ausgestalten.“

Gigabit-Voucher

Beim Thema Breitbandversorgung stellt das BMWi ein mögliches neues Förderinstrument vor: Gigabit-Voucher. Diese Gutscheine für „zeitlich befristete Zuschüsse für Gigabitanschlüsse in Verbindung mit innovativen Anwendungen“ sollen KMU und „sozioökonomisch wichtige Einrichtungen“ wie Schulen, Arztpraxen und Verwaltungen in ländlichen und strukturschwachen Gebieten erhalten. So soll indirekt der marktgetriebene Netzausbau gefördert werden.Digitalpolitik-Default-Motiv-1500x984Das BMWi beschäftigt sich in seinem Weißbuch unter der Überschrift „Eine demokratische Digitalkultur sichern“ auch mit den Themen Hass im Netz und Fake News, zu denen das Justizministerium (BMJV) gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Auch wenn der Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes aus dem BMJV erwähnt und begrüßt wird, lesen sich mehrere Passagen so, als wünsche sich das BMWi eigentlich andere Lösungen. So heißt es: „Eine privatisierte Rechtsdurchsetzung bei Straftaten lehnen wir ab.“ Und:

„Das Internet macht nicht an Ländergrenzen halt und auch die Plattformanbieter agieren international. Wir brauchen deshalb Lösungen, die grenzüberschreitend wirksam sind.“

Digitalagentur unterhalb der Ministerien

Das Weißbuch macht auch einen Vorschlag, wie das Thema Digitalisierung in der nächsten Bundesregierung aufgestellt sein sollte. Zum einen wird in dem Papier ein Digitalministerium abgelehnt.

„Die Zentralisierung sämtlicher digitalpolitischer Kompetenzen in einem Ressort der Bundesregierung wäre wegen der Querschnittbedeutung der Digitalisierung nicht sachgerecht“, heißt es zur Begründung.

Auf der nachgeordneten Ebene soll eine neu zu schaffende Digitalagentur „praxisnahe Analysen und konsistente, politikfeldübergreifende Handlungsempfehlungen“ geben. Die möglichen Aufgaben der Digitalagentur werden in zehn Punkten aufgezählt.

Sie reichen von der „umfassenden Marktbeobachtung, z.B. zur weiteren Entwicklung bei individualisierten Preisen“, über Regulierungsaufgaben, „Beratungsleistungen auch bei Gesetzgebungsprozessen“ bis hin zur Veranstaltung von Digitalisierungskonferenzen und Öffentlichkeitsarbeit“. Der Prozess zum jetzt vorgelegten Weißbuch hatte am 30. Mai 2016 mit der Veröffentlichung des Grünbuchs begonnen. 263 Beiträge, 10.464 Bewertungen und 70 ausführliche Stellungnahmen wurden laut BMWi im Laufe des Diskussionsprozesses berücksichtigt.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.

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