Änderungsantrag: Koalition bringt Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ auf den Weg

Veröffentlicht am 29.05.2017

Ihre Einigung zu Strafrechtsverschärfungen beim Wohnungseinbruch hatte die Koalition mit zahlreichen Pressemitteilungen verkündet, ohne öffentliche Ankündigung bringen die Fraktionen von CDU/CSU und SPD dagegen jetzt Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ ins Gesetzgebungsverfahren ein: Als Änderungsantrag zum Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes, Strafprozessordnung und weiterer Gesetze (18/11272).

In diesem Gesetz, dessen Entwurf am 21. Dezember 2016 vom Kabinett beschlossen wurde, geht es auf 52 Seiten um diverse Änderungen im Strafrecht – von der Ausweitung von Fahrverboten als Sanktion bis zur Ahndung der grob fahrlässigen Tötung und Zerstörung geschützter wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Jetzt kommt noch die 30-seitige Formulierungshilfe für Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ hinzu.

Data Security

Forderung der Strafverfolger

Polizei, Staatsanwaltschaft und auch der Deutsche Richterbund hatten Regelungen dazu gefordert. Innenminister Thomas de Maizière hatte sich vor wenigen Wochen optimistisch gezeigt, dass man sich mit der SPD darüber einigen kann.

Der Änderungsantrag sieht nun vor, die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) in §100 a der Strafprozessordnung (StPO) zu regeln, in dem auch die herkömmliche TKÜ geregelt wird. Absatz 1 Satz 1 soll mit folgendem Text ergänzt werden.

„Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.“

Die Online-Durchsuchung soll in § 100 b geregelt werden. Sie wird so definiert:

„Auch ohne Wissen des Betroffenen darf mit technischen Mitteln in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen und dürfen Daten daraus erhoben werden.“

Für Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ gilt technisch dieselbe Voraussetzung: Die „heimliche Infiltration“ des informationstechnischen Systems von Betroffenen. Die Debatte, inwieweit das verfassungsgemäß möglich ist, wird seit vielen Jahren unter dem Schlagwort „Staatstrojaner“ geführt.

Große rechtliche Unterschiede

Juristisch dagegen gibt es zwischen Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung große Unterschiede: Während bei der Quellen-TKÜ Telekommunikationsvorgänge überwacht werden, also das Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 des Grundgesetzes betroffen ist, werden bei der Online-Durchsuchung noch weitere Grundrechte tangiert. So hat das Bundesverfassungsgericht das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ im Jahr 2008 in einem Urteil zu Online-Durchsuchungen formuliert. Es geht davon aus, dass der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz 2 Absatz 1 i.V. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG)) darstellt.

Die Konsequenz sind besonders hohe gesetzliche Anforderungen für den Einsatz einer solchen Maßnahme:

„Für den präventiven Bereich hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass Eingriffe in den Schutzbereich dieses Grundrechts nur dann erfolgen dürfen, wenn tatsächlich Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut besteht. Von seinem Intensitätsgrad und wegen der oft höchtspersönlichen Natur der auf einem informationstechnischen System gespeicherten Daten vergleicht es den Eingriff seinem Gewicht nach mit dem (heimlichen) Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung“, heißt es in der Begründung.

Dieser Vergleich ist auch die Grundlage für die von der Koalition geplante Verankerung der Online-Durchsuchung in der StPO: Die Voraussetzungen für eine Online-Durchsuchung sollen weitgehend dieselben sein wie für eine akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) – den sogenannten „Großen Lauschangriff“. Allerdings fehlt im Entwurf des Paragrafen zur Online-Durchsuchung eine der vier Voraussetzungen des §100c StPO. So gibt es keine Entsprechung für die Anforderung, dass

„auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen des Beschuldigten erfasst werden, die für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines mitbeschuldigten von Bedeutung sind.“

Der Katalog der Straftaten, bei denen eine akustische Wohnraumüberwachung oder Online-Durchsuchung nach dem Beschluss eines Landgerichts zulässig ist, ist dann wieder identisch – und reicht von Hochverrat bis zum bandenmäßigen Waffenhandel.

Unterschiede zwischen Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung gibt es auch bei der Installation der Überwachungssoftware: In der Begründung des Änderungsantrags wird zur Quellen-TKÜ festgehalten, dass die Software „grundsätzlich nur auf technischem Weg oder mittels kriminalistischer List“ installiert werden darf.“ Eine Befugnis, die Wohnung des Betroffenen zu diesem Zweck heimlich zu betreten, sei mit der Befugnis nach §100a Absatz 1 Satz 2 StPO nicht verbunden. Bei der Online-Durchsuchung wird diese Einschränkung nicht erwähnt

Schutz des überwachten Systems

Der Gesetzentwurf beschäftigt sich auch mit der Frage, wie mit der technischen Gefährdung des überwachten Systems umzugehen ist. Dazu wird in §100a Absatz 5 vorgeschrieben, dass technisch sicherzustellen ist, dass

  • „2. an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
  • 3. die technisch vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
  • Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen.“

Diese Vorschrift für die Quellen-TKÜ gilt auch für die Online-Durchsuchung.

Der Gesetzentwurf ist am 31. Mai Thema einer Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses im Bundestag und kann dann nach der Ausschussberatung in einer der letzten beiden regulären Sitzungswochen des Bundestages Ende Juli in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.

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