Strategie für den digitalen Binnenmarkt der EU

Veröffentlicht am 19.05.2015

Nachdem kürzlich bereits ein Entwurf geleakt worden war haben der EU-Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt, Andrus Ansip, und der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, jetzt offiziell die Strategie für den digitalen Binnenmarkt für Europa vorgestellt. 16 Maßnahmen plant die Kommission, die bis zum Ende des nächsten Jahres umgesetzt werden sollen. Unterteilt sind die Vorhaben in drei Säulen: 1. Besserer Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa, 2. Schaffung der richtigen Bedingungen und gleicher Voraussetzungen für florierende digitale Netze und innovative Dienste sowie 3. bestmögliche Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft. Laut der Kommission würden den Bürgern aufgrund von Barrieren im Online-Umfeld derzeit Waren und Dienstleistungen vorenthalten. Nur 15 Prozent der EU-Bürger machten Online-Einkäufe in anderen EU-Ländern. Auch Internetunternehmen und Start-ups könnten die Wachstumschancen des Online-Geschäfts aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Regelungen nicht voll nutzen. Nur sieben Prozent der KMU seien im Auslandsgeschäft tätig.Industrie-Default-Motiv-1500x984

1. Besserer Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa

Die Kommission geht in ihrem Strategiepapier konkret auf ihre Pläne zur Modernisierung und Harmonisierung des europäischen Urheberrechts ein. Demnach sollen die Portabilität rechtmäßig erworbener Inhalte und der grenzüberschreitende Zugang zu rechtmäßig erworbenen Online-Diensten gewährleistet werden. „Wir brauchen ein digitales, modernes Urheberrecht. Das derzeit gültige ist 14 Jahre alt und stammt noch aus der analogen Zeit“, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger bei der Pressekonferenz zur Präsentation der digitalen Binnenmarktstrategie. Nach Ansicht der Berichterstatterin des EU-Parlaments für die Evaluierung der Urheberrechtslinie, Julia Reda (Piraten), reichen die Pläne der Kommission jedoch bei weitem nicht aus, um den europaweiten Zugang von Online-Inhalten sicherzustellen. Wenn User die Fehlermeldung „dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar“ angezeigt bekommen, handele es sich häufig um Werke, die durch Werbung oder öffentliche Mittel finanziert seien. Diese wären von den geplanten Maßnahmen der Kommission also nicht erfasst.

Neben der für das vierte Quartal 2015 angekündigten Urheberrechtsreform und einer besseren Durchsetzung von Verbraucherschutzrechten beim Online-Kauf will die EU-Kommission außerdem im ersten Halbjahr 2016 Gesetzesvorschläge vorlegen, die ungerechtfertigtes Geoblocking beim Online-Handel abstellen. Darüber hinaus hat sich die Kommission vorgenommen, den Verwaltungsaufwand in Firmen zu reduzieren, der durch unterschiedliche Mehrwertsteuerregelungen entsteht. Sie will außerdem eine regulatorische Aufsicht über die Paketzustellung auf den Weg bringen, um für erschwingliche, grenzüberschreitende Paketzustelldienste zu sorgen.

2. Schaffung der richtigen Bedingungen und gleicher Voraussetzungen für florierende digitale Netze und innovative Dienste

Die Kommission kündigt für das Jahr 2016 Vorschläge für eine „ambitionierte Reform der Telekommunikationsvorschriften“ an. Ein Schwerpunkt wird dabei die Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Einzelregelungen sein, um „leistungsfähigen Netzebetreibern und Diensteanbietern Skaleneffekte zu ermöglichen und einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten“. Auch Anreize für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze sollen geschaffen werden.

Wie die im März dieses Jahres eingesetzte Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz in Deutschland will die EU-Kommission ebenfalls eine Mediengesetzgebung für das 21. Jahrhundert entwickeln. Sie wird in diesem Zusammenhang sowohl den Anwendungsbereich der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste als auch die Vorschriften für alle Marktteilnehmer überprüfen und dabei den Fokus u.a. auf die Maßnahmen zur Förderung europäischer Werke, den Schutz von Minderjährigen und die Werbevorschriften legen.

Die digitale Binnenmarktstrategie der EU sieht außerdem vor, die Rolle der Plattformen in der Sharing Economy und als Online-Mittler zu analysieren. Neben Bereichen wie u.a. Transparenz von Suchergebnissen und der Verwendung von Daten wird die Kommission ermitteln, wie illegale Inhalte im Internet am besten bekämpft werden können. Nach Ansicht von Julia Reda läuft die von der Kommission in Erwägung gezogene Einführung einer Sorgfaltspflicht für Online-Dienste jedoch Gefahr, die Dominanz der Konzerne zu zementieren. „Laut internen Dokumenten, die mir vorliegen, kann diese Sorgfaltspflicht bedeuten, dass Internetplattformen dazu gezwungen werden, jegliche von NutzerInnen hochgeladenen Inhalte auf ihre Legalität zu prüfen. Das würde die anlasslose Massenüberwachung im Netz weiter ausbauen, die Rechtsdurchsetzung an private Firmen auslagern sowie ein riesiges Hindernis für den Markteintritt darstellen und somit den Wettbewerb einschränken“, schreibt die stellvertretende Vorsitzende der grünen Fraktion im EU-Parlament in ihrer Pressemitteilung.

Aber nicht nur illegale Inhalte, auch illegale Datennutzung will die EU-Kommission bekämpfen. Nach der Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung, die bis Ende des Jahres 2015 erwartet wird, will die Kommission die e-Datenschutz-Richtlinie unter die Lupe nehmen, um ein hohes Schutzniveau für die betroffenen Personen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2016 plant die Kommission außerdem, die Gründung einer öffentlich-privaten Partnerschaft für Cybersicherheit auf dem Gebiet der Technologien und Lösungen für die Online-Netzsicherheit anzustoßen. „Wir müssen ein Höchstmaß an europäischer Kultur an Datensicherheit etablieren“, forderte EU-Kommissar Oettinger bei der Pressekonferenz.

3. Bestmögliche Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft

In diesen Zusammenhang gehört auch die geplante europäische Cloud-Initiative, in der es u.a. um die Zertifizierung von Cloud-Diensten gehen wird. „Der Mittelstand braucht Cloud-Computing, die Unternehmen werden ihre Kundendaten aber nur dann in einer Cloud speichern, wenn sie sicher ist“, betonte Oettinger.

Darüber hinaus wird sich die Kommission im nächsten Jahr intensiv mit dem Thema Big Data beschäftigen. Sie hat sich den Aufbau einer Datenwirtschaft zum Ziel gesetzt. In einer europäischen Initiative zum „freien Datenfluss“ sollen alle Rahmenbedingungen behandelt werden, die aus anderen Gründen als dem Schutz personenbezogener Daten den freien Datenverkehr einschränken. Dabei wird die Kommission über Fragen des Eigentums von Daten, der Interoperabilität ihrer Nutzbarkeit und des situationsabhängigen Zugangs von Daten diskutieren. Der Zugang zu öffentlichen Daten soll gefördert werden. Neben der vereinfachten Datennutzung für Unternehmen will die Kommission auch durch die Einführung von Technologie-Normen im Gesundheitswesen, im Verkehr sowie im Bereich Umwelt und Energie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen steigern.

Als Hauptziel der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt benennt die EU-Kommission, ein günstiges Investitionsklima für digitale Netze, Forschung und innovative Unternehmen zu schaffen. Dafür seien beträchtliche Investitionen nötig. Für Infrastrukturen und Dienste des digitalen Binnenmarkts sowie für forschungsintensive und innovative KMU habe man bereits Mittel der EU reserviert. Laut Strategiepapier werden die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds voraussichtlich etwa 21,4 Milliarden Euro für diesen Bereich einplanen. Besondere Anstrengungen seien nötig, um die digitale Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu schließen. Ergänzend zu laufenden EU-Programmen soll der Europäische Fonds für strategische Investitionen eine breite Palette von digitalen Vorhaben unterstützen, die sich vor allem durch ihren hohen Innovations- und Forschungsanteil auszeichnen. Zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten sollen von der Europäischen Investitionsbank und vom Europäischen Investitionsfonds bereitgestellt werden.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

 

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