Philipp Herrmann: „Shoot first, ask questions later“

Philipp Herrmann, Foto: etventure
Veröffentlicht am 18.02.2013

Am Mittwoch findet der UdL Digital Talk, zu dem Sie sich noch über facebook oder Xing anmelden können, statt. Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler wird dann mit Philipp Herrmann, Gründer und Geschäftsführer von etventure, über die Rolle und das Potenzial von Start-Ups in Deutschland diskutieren. Wir haben vorab Philipp Herrmann einige Fragen gestellt.

„Wir sind ein New Business Builder“

Philipp Herrmann
Philipp Herrmann, Foto: etventure

UdL Digital: Was ist etventure? Ein Inkubator? Ein Accelerator? Oder etwas Ganz anderes?

Philipp Herrmann: Wir haben uns bei etventure darin spezialisiert, neue Geschäftsideen zu identifizieren, diese real am Markt zu testen und erfolgreich getestete Modelle schließlich als eigenständige Startups zu launchen. etventure deckt damit alle initialen Wertschöpfungsschritte für den gezielten Aufbau von Neugeschäften ab. Von klassischen Inkubatoren und Acceleratoren, wie sie von vielen Konzernen gegründet wurden und werden, unterscheidet sich etventure insbesondere dadurch, dass wir nicht nach externen Gründerteams mit Ideen suchen, sondern sämtliche Wertschöpfungsschritte mit eigenen Teams in die Tat umsetzen. Wenn man nach einem passenden englischen Begriff sucht, dann passt zu uns der Begriff New Business Builder.

etventure = Innovation + Erfahrung

UdL Digital: Ihr arbeitet viel mit der so genannten Old Economy zusammen und konntet mit z.B. Hartmut Ostrowski einen Partner gewinnen, der eher für das Lenken von riesigen Tankern als für das Steuern von Schnellbooten bekannt ist. Steht Ihr für eine Seriosität, die der deutschen Gründerszene abgeht?

Philipp Herrmann: Eine unserer Kernkompetenzen ist es, Unternehmen einen schnellen Zutritt zu innovativen Neugeschäften zu ermöglichen. Dabei kooperieren wir sowohl mit im Online- und Mobile-Bereich bereits sehr fortschrittlichen Unternehmen als auch mit Firmen, für die wir die Brücke zwischen Old- und New-Economy schlagen. Auch unsere Investoren kommen aus verschiedensten Wirtschaftsbereichen. Alle unsere Partner – auch die von Dir angesprochenen – verbindet,  dass sie einen ausgesprochen großen Erfahrungsschatz im Aufbau hochprofitabler Geschäfte vorweisen können. Wir sind davon überzeugt, dass wir durch die Kombination bestehender Erfahrungsschätze mit unserem Innovationsansatz signifikante Mehrwerte für alle Beteiligten schaffen können – und haben dies im letzten Jahr auch unter Beweis gestellt. Ich denke, dass dies weniger mit dem Thema „Seriösität“ zu tun hat, sondern vielmehr mit der strategischen Ausrichtung, mit der wir das Thema Innovation für Firmen, Investoren und die Gesamtwirtschaft erfolgreich voranbringen.

Die USA stehen für „Just do it“

UdL Digital: Du hast die letzten Jahre in Palo Alto verbracht: Was unterscheidet die amerikanische von der deutschen Gründerszene?

Philipp Herrmann: Die Zeit im Silicon Valley war sicherlich ein einmaliges Erlebnis. Die Konzentration an Firmen und Menschen, die sich dem Thema Innovation mit voller Leidenschaft hingeben, ist eine unglaubliche Inspirationsquelle – sowohl für Ideen als auch für die generelle Motivation, sich als Unternehmer zu betätigen. Dazu kommt natürlich auch die Infrastruktur, die für eine Startup-Economy ideal sind – viele Venture-Capital-Firmen und Business Angels, Top-Universitäten als Talent- und Ideen-Quellen und nicht zuletzt für Innovationen offene Konzerne.

Man könnte Seiten damit füllen, alle Unterschiede zwischen der amerikanischen und deutschen Szene zu beleuchten. Ich will mich daher auf den meines Erachtens wichtigsten Aspekt beschränken: Die Silicon-Valley-Community zeichnet sich durch eine unglaublich Umsetzungs- und Testfreudigkeit aus. Viele bezeichnen dies als „Just do it“-Ansatz, ich jedoch gerne noch zugespitzter als „Shoot first, ask questions later“-Mentalität. Ideen werden sofort ausgetestet, selbst wenn deren zugrunde liegenden Annahmen nur zu einem Bruchteil geklärt sind. Dabei wird als selbstverständlich akzeptiert, dass viele Ansätze scheitern – so lange die Erkenntnisse im nächsten Wagnis konstruktiv eingesetzt werden. Diese Offenheit und Risikobereitschaft existiert bei Unternehmern und Investoren im gleichen Maße und ist ein wesentlicher Grund dafür, dass  die amerikanische Szene deutlich mehr „auf die Straße“ bekommt als jede andere Startup-Szene. Davon können wir uns in Deutschland sicherlich eine große Scheibe abschneiden.

Deutschland ist besser als sein Ruf

UdL Digital: Viele werden sich wundern: Du warst dort, wo Viele hinwollen – im Silicon Valley – und bist zurück nach Deutschland gekommen. Warum? Was gibt es hier, was in den USA fehlt?

Philipp Herrmann: Die Entscheidung zwischen dem Verbleib im Valley und einer Rückkehr nach Deutschland war keine leichte Entscheidung – beide Optionen hatten und haben ihre klaren Vorzüge. Letztendlich hat für mich den Ausschlag gegeben, dass ich es als noch spannendere Herausforderung angesehen habe, die positive Entwicklung der deutschen Szene aktiv mitzugestalten. Wir können in Deutschland in den kommenden Jahren noch große Sprünge machen und ich möchte dazu beitragen. Die Grundvoraussetzungen sind weniger schlecht als von vielen wahrgenommen, auch wenn sie noch nicht gezielt genug für eine New-Economy-Industrie genutzt werden (können). So besteht beispielsweise das Potenzial, hoch motivierte und gut ausgebildete Talente aus den osteuropäischen EU-Staaten als Partner oder Mitarbeiter zu gewinnen. Zudem ist die grundsätzlich notwendige Innovationskraft in Universitäten und anderen Institutionen vorhanden – die Deutschen sind nicht umsonst als Tüftler bekannt. Außerdem ist generell viel investierbares Kapital bei einheimischen Investoren wie auch Unternehmen vorhanden. Was wir schaffen müssen, ist, diese Grundvoraussetzungen für die Startup-Economy zu aktivieren. Wir bei etventure haben damit denke ich bereits erfolgreich beginnen können.

Jeder kann zur Änderung beitragen

UdL Digital: Welchen Problemen siehst Du Dich als Gründer ausgesetzt?

Philipp Herrmann: Die Probleme für Gründer in Deutschland sind unterschiedlicher Natur. Zum Einen stellen kulturelle Aspekte wie die deutsche Risikomentalität eine echte Herausforderung dar. Auf das Vorbild der amerikanischen Szene bin ich bereits eingegangen und es liegt an jedem Einzelnen von uns, dies zu ändern.  Zum Anderen gibt es viele strukturelle Probleme. Das fängt an mit bürokratischen und gesetzlichen Hürden bei Unternehmensgründung und -aufbau, welche unnötige Kosten oder Komplexitäten verursachen. Hinzu kommen Herausforderungen bei der Finanzierung eines Startups im frühen Entwicklungsstadium, da in Deutschland eine nur sehr kleine Basis an Risikokapital-Investoren existiert, die sich auf wenige signifikante Institutionen und Privatiers beschränkt. Die Förderlandschaft bietet zwar viele Möglichkeiten, ist für einen Neugründer jedoch kaum transparent und wird in der Presse nicht zu Unrecht häufig als Förderlabyrinth bezeichnet. Ist ein Unternehmen in der Frühphase erfolgreich, entstehen sofort steuerliche Belastungen, welche die Entfaltungsmöglichkeiten des Startups unnötig einschränken können. Schließlich kommen bei starkem Wachstum wiederum bürokratische Schwierigkeiten hinzu wie beispielsweise die zum Teil aufwändige und langwierige Rekrutierung von Fachkräften aus dem außereuropäischen Ausland. Auch bei weniger Erfolg entstehen Probleme – muss ein junges Startup mit über zehn Mitarbeitern beispielsweise Personal abbauen, dann greift ein nicht zur Situation passendes Kündigungsschutzgesetzt. All diese strukturellen Themen werden schon seit Jahren in Deutschland diskutiert. Leider sind diesen Diskussionen bisher nur sehr vereinzelt Veränderungen gefolgt. Das sollte aber keinen Gründer davon abhalten, sich trotzdem durchzubeißen!

Ein Start-Up-Gesetz könnte helfen

UdL Digital: Wie könnte Dir der Wirtschaftsminister beim Lösen dieser Probleme helfen? Braucht es einen Regierungsfond für Start-Ups oder ein Start-Up-Gesetz? Wünsch Dir was.

Philipp Herrmann: Es gibt sicherlich viele Anknüpfungspunkte, um die von mir angesprochenen strukturellen Probleme zu adressieren. Ich glaube nicht, dass staatliche Direkteingriffe wie z.B. einen Regierungsfond eine Lösung darstellen. Vielmehr sollte sich die Politik auf die Vereinfachung des Systems und die Reduzierung von Hürden konzentrieren, die ich gerade eben angesprochen hatte.  In der Tat würde ich mir eine Startup-Gesetzesinitiative freuen, welche entsprechende Gesetzesanpassungen oder Sonderregelungen für Start-Ups und Risikokapitalgeber definieren würde. Ich denke, dass eine solche Initiative im Dialog zwischen Unternehmern, Investoren und der Politik erarbeitet werden sollte. Die Einrichtung des Beirats „Junge Digital Wirtschaft“ ist dabei sicherlich ein sehr guter erster Schritt. Um am Ende des Tages tatsächlich konkrete und übergreifend akzeptierte Ergebnisse zu liefern, sollte der Dialog und die Erarbeitung von Lösungsansätzen jedoch sicherlich auf noch breitere Füße gestellt werden. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, mich auch persönlich in eine derartige Initiative einzubringen.

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