Eine Tafel gegen das digitale Vergessen

Veröffentlicht am 21.01.2014

Steinzeug – so lautet die Alternative zu digitalen Datenträgern. Jedenfalls sind die Wissenschaftler des 2012 gegründeten Archivprojekts „Memory of Mankind“ davon überzeugt. Festplatten sind nur für eine begrenzte Zeitspanne funktionsfähig, denn schon nach einigen Jahren, bei seltener Nutzung nach etwa zehn Jahren, geben sie ihren Geist auf. Auch CDs und DVDs können digitale Daten nicht für die Nachwelt erhalten. Die Nachwelt – die Experten von „Memory of Mankind“ (MOM) denken dabei in Größenordnungen von 10.000 bis über 100.000 Jahren. Wenn von uns mehr übrig bleiben soll als Grabsteine oder Jackenknöpfe, müssen die Festplatten-Backups auf Tontafeln gebrannt werden, fordern sie. Das so genannte Steinzeug ist das haltbarste Material, welches Menschen herstellen können.

„Wer nicht dabei ist, wird nie existiert haben!“

Das Projekt MOM arbeitet an einem weltweiten Archiv für die Verewigung von Ereignissen, Personen oder auch Kochrezepten. Gelagert werden die bei 1200°C gebrannten Steinzeugtafeln in Kammern im Salzberg von Hallstatt in Österreich. Der Berg in der Weltkulturerbe-Region ist hoch genug, um auch bei Anstieg des Meeresspiegels nicht geflutet und bei Eiszeiten nicht durch die Gletschererosion zerstört zu werden. Bei der Wahl des Ortes wurde an alles gedacht. „Wer nicht dabei ist, wird nie existiert haben!“, wirbt das Projekt provokant und verspricht: „In ferner Zukunft wird das MOM Archiv gefunden werden.“ Wer sich dafür entscheidet, eine der unverwüstlichen Tafeln individuell zu gestalten und im Salzberg einlagern zu lassen, erhält ein Zertifikat, welches versichert, dass man nun „Teil der unendlichen Geschichte der Menschheit“ sei. Außerdem bekommt man eine Plakette, natürlich ebenfalls aus Steinzeug. Auf der Plakette können die zukünftigen Finder einen Lageplan von MOM erkennen, damit sie wissen, wo sie graben müssen, um das Archiv der Menschheit auch nach Jahrtausenden wieder zu finden.

Das Streben nach Unsterblichkeit

„MOM – ein Hauch Unsterblichkeit für Jeden“ ist noch einer der Werbesprüche des Archivs. Die Projektbetreiber wissen, wonach die Menschen streben und was sie sich für die Zukunft wünschen: Die Ewigkeit ihrer Daten im digitalen Zeitalter. Mit Gutscheinen für’s Archiv lässt sich Unsterblichkeit nun verschenken – doch möchte man das? Wie wichtig ist es einem Brautpaar, den Hauch einer Chance darauf zu haben, dass ihr Hochzeitsfoto in hunderttausenden von Jahren von Fremden gefunden wird? Möchte ein Sportler seine Höchstleistungen einer ihm unbekannten Nachwelt hinterlassen? Historiker unserer Zeit haben sich durchaus gefreut, dass die Höhlenmalerei, die in Stein gemeißelten Hieroglyphen und die mehrere tausend Jahre alten chinesischen Schriften gefunden wurden. Unsere digitalen Datenträger werden dagegen ohne ständiges Backup schon in hundert Jahren nicht mehr lesbar und alle Informationen darauf verloren sein. Ein bekanntes Beispiel: Schon beim 40-jährigen Jubiläum der ersten Mondlandung konnten die originalen wissenschaftlichen Daten nicht mehr gelesen werden, da die passenden Geräte nicht mehr existierten.

Die Archivierung ist hinsichtlich der täglichen Flut neuer Daten zu einer wichtigen Fragestellung geworden. Ob die künftigen Finder des Archivs allerdings Informationen über jedes Individuum brauchen oder ob diese Erinnerung nur herausragenden Persönlichkeiten und Ereignissen aus der Weltgeschichte vorbehalten bleiben sollte, wäre eine andere Frage. Über das Schicksal der eigenen Daten muss jede einzelne Person selbst entscheiden. Vielleicht ist es auch das größte Geschenk an die Nachwelt, spurlos zu verschwinden.

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