Digitaler Spaziergang in Berlin: Senioren auf digitaler Schnitzeljagd

Foto: Till Budde
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Veröffentlicht am 22.08.2019

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Um 11 Uhr an einem Mittwoch Mitte August stehen gut 25 Seniorinnen und Senioren auf dem Bahnsteig der Berliner U-Bahnstation Märkisches Museum. Ungewöhnlich ist, dass alle ein Smartphone oder Tablet in der Hand haben und sich munter miteinander unterhalten. An der U-Bahn-Haltestelle teilen sie sich auf in vier Gruppen und gehen los – auf eine digitale Schnitzeljagd.

Ziel dieser Schnitzeljagd durch die alte Mitte Berlins ist ein Schiff im historischen Hafen. Vor allem geht es aber darum, älteren Menschen auf spielerische Weise zu ermöglichen, an der digitalen Gesellschaft teilzuhaben. Es geht darum, Berührungsängste mit dem Internet und digitalen Geräten abzubauen und Medienkompetenz an eine Generation zu vermitteln, die nicht selbstverständlich mit der Digitalisierung aufgewachsen ist.

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Foto: Till Budde

Auf digitalen Wegen zum historischen Hafen Berlins

Und wenn es nach den Veranstaltern – der Stiftung Digitale Chancen und Telefonica Deutschland (O2) – geht, soll dies nur der erste von mehreren digitalen Spaziergängen sein. Die Stiftung und das Unternehmen engagieren sich seit 2012 gemeinsam im Rahmen der Initiative „Digital mobil im Alter“ dafür, dass Senioren mithilfe mobiler Geräte länger physisch und geistig mobil bleiben.

Für Lore Unger ist die Tour ein Heimspiel. „Ich wohne hier um die Ecke, in einer der ältesten Straßen Berlins“, erzählt sie, während sie die richtige Richtung für die erste Station sondiert. Ausgestattet mit Smartphone oder Tablet setzt sich das Team mit Lore, Barbara und Regina an der Spitze in Bewegung.

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Foto: Till Budde

Die Route und die Aufgaben, die die Senioren bewältigen sollen, werden durch die Actionbound App vorgegeben. Die Route mit ihren Aufgaben wurde für die Schnitzeljagd von den Veranstaltern gemeinsam mit ehrenamtlichen Unterstützern aus verschiedenen Berliner Senioreneinrichtungen entwickelt. Senioren können so z.B. spielerisch lernen, wie sie mit Navigationssystemen umgehen, sich unterwegs Informationen über Google besorgen, Bilder machen oder Audioaufnahmen verschicken können.

Tektonische Platten und technische Plattformen

Erste Station der Schnitzeljagd ist die Schule vis-a-vis der Treppe zur U-Bahn. Benannt ist die Schule nach Alfred Wegener, weil er dort Ende des 19. Jahrhunderts zur Schule gegangen ist. Auf ihn geht die Theorie der Kontinentalverschiebung zurück, die heute wesentliche Grundlage der Plattentektonik ist. Das erfährt die Gruppe alles von der Tafel, die an der Schule angebracht ist und mit der Schnitzeljagd-App fotografiert werden soll.

Fotografieren ist nicht so ihr Ding, bekennt Lore. Sie kennt aber die Ecke und die Schule und weiß, dass Wegener außerdem Meteorologe gewesen ist. Jemand anderes aus der Runde ruft den Wikipedia-Artikel zu Alfred Wegener auf und doziert. Fazit nach der ersten Station: Man kann Dinge entdecken, die man sonst nicht sieht. „Man ist ja auch im eigenen Stadtteil manchmal blind“, sagt Lore.

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Foto: Till Budde

Die App ist auf dem Smartphone oder Tablet installiert und führt die Nutzer Schritt für Schritt mit verschiedenen Aufgaben durch die Stadt. Aufgaben sind beispielsweise, bestimmte Sehenswürdigkeiten zu fotografieren, Geräusche aufzuzeichnen oder Quizfragen zu beantworten. Die Aufgaben und Antworten werden bewertet und so können die Gruppen, die sich zusammengeschlossen haben, gegeneinander spielen – auch wenn bei dieser Runde das Gewinnen niemandem wichtig ist. Im Vordergrund steht der Spaß mit den Geräten und der lehrreiche Spaziergang.

Zur nächsten Station schreitet Barbara voran. Die Botschaften in der Straße sollen gefunden und ein Staatswappen ihrer Wahl fotografiert werden. Insgesamt gibt es in dieser Ecke von Mitte einige Botschaften und Konsulate. Lore und Barbara kennen sie. Sie entscheiden sich für das Staatswappen der kosovarischen Botschaft. Nachdem jeder in der Gruppe ein Wappen gefunden und festgehalten hat, steuert die Gruppe den nächsten Punkt an, den die App ihnen vorgibt.

Auch Zille nutzte schon ein Tablet

Das ist die Statue von Heinrich Zille. Über Zille weiß die Gruppe einiges zu berichten. Der „Pinselheinrich“ genannte Künstler ist dafür bekannt, das Berliner Volksleben um die Wende zum 20. Jahrhundert ebenso lokalpatriotisch wie sozialkritisch gezeichnet zu haben. Mit seinem Zeichenblock in der Hand sieht die Statue von Zille fast so aus, wie die Seniorinnen und Senioren, die mit den Tablets vor ihm stehen und Informationen sammeln und eingeben.

Regina gibt den Weg zur nächsten Station vor und liest auch die Aufgabe vor. Als nächstes geht es zu einem Stück der Berliner Mauer, die die Stadt einst getrennt hat. Hier gibt es verschiedene Audio-Dokumente, von denen die Gruppe einen kleinen Ausschnitt mit der App aufzeichnen soll. Lore drückt auf den Aufnahmeknopf. Kurz wird gezögert, ob die App auf das Mikrofon zugreifen darf und schon kann es losgehen.

„Nicht so laut dazwischen sprechen, damit man die Aufnahme auch richtig hören kann“, ruft einer der männlichen Teilnehmer den Damen zu.

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Foto: Till Budde

Die Quizfragen zum Brandenburgischen Roland werden richtig beantwortet, nachdem die Gruppe die Köpfe zusammengesteckt hat – ohne Hilfe von Google. Von dort geht es in den Innenhof des Märkischen Museums. Es ist aber Tempo angesagt, denn der Innenhof ist wegen Filmarbeiten ab mittags geschlossen. Die Frage, was das Märkische Museum beherbergt, ist schnell beantwortet. Die Antwort finden alle sehr leicht – es ist das Stammmuseum der Stiftung Stadtmuseum Berlin und die Themenschwerpunkte sind Kultur und Geschichte der Region.

Ein Katzensprung weiter ist das „City Models of Berlin“. Dort gibt es Berlin als 3D-Aufbau. Auf dem riesengroßen Tisch wird zunächst geschaut, ob die eigene Wohnung zu sehen ist. Lore muss beim Lösen der Fragen einer Schnitzeljägerin aus ihrem Team erklären, wie sie aus der Foto-App zurück zur Schnitzeljagd kommt. Einmal den Button gedrückt, und schon ist sie mit dem Tablet da, wo sie hinwollte.

Google und den eigenen Kopf anzapfen

Jetzt geht es für die Gruppe in den Köllnischen Park. Dort waren über viele Jahre die Berliner Wappentiere im Bärenzwinger zu Hause. Seit 2015 ist der Bärenzwinger unbesetzt, nachdem die letzte Bärin wegen Arthrose eingeschläfert werden musste. Um diese Jahreszahl zu nennen, muss Lore dann doch Google bemühen. „Ich lerne hier viel mehr als vorgesehen“, sagt sie, nachdem sie auf Wikipedia zum Bärenzwinger nachgelesen hat. Für die Frage nach dem letzten Bären hier im Köllnischen Park muss sie nicht die Suchmaschine bemühen. Ihre Schnute kannten die Berliner.

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Foto: Till Budde

Lore braucht auch keine Hilfe, wenn es um den Weg zum historischen Hafen geht. Sie gibt die Richtung vor und dort findet die Schnitzeljagd, bei der die Gruppe über einen Kilometer Wegstrecke zurückgelegt hat, ihr Ende. Der Spaziergang dauerte gut zwei Stunden.

Hier im Hafen ist ein Tisch auf einem der historischen Schiffe reserviert. Auf der „Adonis“ wird ausgewertet, welche Gruppe die meisten Punkte erreicht hat. Doch der Sieger ist gar nicht so wichtig wie das, was die Gruppen beim ‚digitalen Spaziergang‘ gelernt haben.

Das Interesse der Senioren und der Wunsch nach Wiederholung ist geweckt. „Wir möchten bei uns im Club demnächst noch weitere Routen mit der App erstellen, die unsere Senioren ablaufen können. Es war toll zu erfahren, wie sowas funktioniert, erklärt Karola Krause, Vorsitzende des SeniorenComputerClubs Berlin Mitte, die vorab bei der Erstellung der Route durch das Berliner Zentrum mitgewirkt hatte.

Der Termin für die nächste Schnitzeljagd steht schon fest. Am Freitag, den 23. August wird wieder eine Gruppe von Senioren Berlin erkunden – diesmal startet der Spaziergang um 11 Uhr am U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz in Charlottenburg.

Mehr Informationen:

Wer die App und die Route durch Berlin Mitte selbst ausprobieren möchte, findet sie hier: https://www.actionbound.com/bound/DmiA-Mitte

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Mehr Informationen zum Thema: Digital mobil im Alter
Website: Stiftung Digitale Chancen

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