Digitale Bildung und das Ende der Datensparsamkeit

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Veröffentlicht am 28.11.2016

Der Umgang mit Daten bleibt in der Bundesregierung um­stritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am 17. No­vember bei ihrer Eröffnungsrede in Saarbrücken:

„Das Prinzip der Datensparsamkeit, wie wir es vor vielen Jahren hatten, kann heute nicht die Leitschnur sein, für die Entwicklung neuer Produkte.“

Auch ein pünktlich zum IT-Gipfel geleak­tes Positionspapier aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fordert den vereinfachten Zugriff auf Daten. Das SPD-geführte Justizministerium hält jedoch weiter am Konzept der Datensparsamkeit fest.

Merkel ging beim Nationalen IT-Gipfel auf die Diskussion um die europäische Datenschutzgrundverordnung ein. Innenmi­nister Thomas de Maiziere weise immer darauf hin, dass es darin eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe gebe, so die Kanzlerin. Die nationale Umsetzung der Verordnung werde noch interessant:

„Wir müssen aufpassen, dass wir es nicht so restriktiv machen, dass das Big-Data-Management dann doch nicht möglich wird.“

Auch auf die Auslegung durch die Gerichte komme es an. Nicht nur Lehrer, Politiker und Unter­nehmenslenker müssten sich Fachwissen zur Digitalisierung aneignen, auch in Rechtsetzung und Rechtsprechung müsse man das Fachwissen haben, „damit die Urteile auch entspre­chend der neuen Zeit gefällt werden können“, sagte Merkel.

Um die Ermöglichung von Big-Data-Anwendungen geht es auch im Positionspapier „Digitale Agenda 2017+“ aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, über das die Süddeutsche Zeitung berichtet. Darin heißt es dem Bericht zufolge:

„Daten sind der Rohstoff der Digitalisie­rung und bilden die Grundlage für digitale Wertschöpfung. Wir wollen weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit, hin zu einem kreativen und sicheren Datenreichtum.“

Bundes­wirtschaftsminister Sigmar Gabriel verwendete in seiner Rede auf dem Saarbrücker IT-Gipfel nicht das Wort „Daten­sparsamkeit“, stellte aber den „Datenschutz“ in Frage:

„Wir brauchen einen anderen Umgang mit dem Datenbegriff. Ich glaube, dass wir uns endgültig verabschieden müssen von dem klassischen Begriff des Datenschutzes, weil der natür­lich nichts anderes ist als ein Minimierungsgebot von Daten. Das ist ungefähr das Gegenteil des Geschäftsmodells von Big Data. Aber das heißt nicht die Aufgabe jeder Form von Datenschutz, das heißt, stattdessen Datensouveränität zum Gegenstand von Politik und Umgang mit Daten zu machen“, sagte Gabriel.

Die Abkehr von der Datensparsamkeit ist in der Bundesre­gierung nicht unumstritten: Das für Datenschutz zuständige Bundesjustizministerium (BMJV) hält an dem Begriff fest.

Big Data
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Der Parlamentarische Staatssekretär im BMJV, Ulrich Kel­ber, warf in einem Namensartikel für das Handelsblatt am 2. November, den Gegnern der Datensparsamkeit vor, für „Datenreichtum“ zu werben und Datensparsamkeit lächer­lich zu machen. Er entgegnete der Kritik, dass Deutschland den Anschluss an die Big-Data-Ökonomie und damit seine wirtschaftliche Zukunft verliere, damit, dass der Gegensatz zwischen Big Data und Datensparsamkeit nicht so groß sei, wie die Lobbyisten behaupteten. „Nur wer unbegrenzt wer­ben, ausforschen und steuern möchte, muss wissen, welche Person sich hinter einem Datum verbirgt“, so Kelber. Alle übrigen Analysen funktionierten sehr wohl erfolgreich mit anonymisierten Daten.

Privacy by Design

Auch im auf dem IT-Gipfel verabschiedeten Positionspapier zu „Privacy by Design“ der von BMJV und IBM Deutschland geleiteten Plattform „Verbraucherschutz in der digitalen Welt“ wird der Begriff Datensparsamkeit verwendet. Kelber bewertete es nach der Verabschiedung des Papiers als Erfolg, dass die Mitwirkenden sich dafür ausgesprochen haben, zu prüfen, inwieweit die Nichteinhaltung von Privacy-by-Design- Grundsätzen und diesbezüglichen Sicherheitsstandards bei Produkten und Services ein Sachmangelkriterium darstellt und die entsprechenden Gewährleistungsrechte begründet.

Gipfelthema Digitale Bildung

Zum Titelthema des Gipfels, der digitalen Bildung wurden in Saarbrücken keine größeren neuen politischen Initiati­ven vorgestellt, die in ihrer Bedeutung dem DigitalPakt#D von Bundesbildungsministerin Wanka nahekamen. Das BMWi gab zum IT-Gipfel ein Papier mit dem Titel „Digitale Bildung – Der Schlüssel zu einer Welt im Wan­del“ heraus, das die Herausforderungen durch die Digitali­sierung und die bereits eingeleiteten oder geplanten Maß­nahmen der Bundesregierung auf 20 Seiten zusammenfasst. Zwei Studien bilden den Stand der Bildungs-Digitalisierung ab und geben Handlungsempfehlungen. Die Sonderstudie „Schule 2016“ der Initiative D21 setzt den Schwerpunkt auf die Schule. Vor allem mit Hochschulen und beruflicher Bildung beschäftigt sich der DIV-Report „Digitale Bildung 2016“. Aber es gab nicht nur Papiere im digitalen PDF-For­mat, es wurde beim Gipfel in Saarbrücken auch ganz kon­kret. Unter anderem wurden folgende Projekte vorgestellt bzw. gestartet:

  • Smart School. Zwei saarländische Schulen, die Gemein­schaftsschule Bellevue in Saarbrücken und das Gymnasi­um Wendalinum in St. Wendel sollen eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung der Schulen einnehmen – und zwar sowohl was die technische Infrastruktur, die Ausstattung mit Geräten als auch die pädagogischen Konzepte und die Lehrer-Fortbildung angeht.
  • Schul Cloud. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Zusammenarbeit mit dem Hasso-Plattner-Institut und bundesweiten Exzellenznetzwerk mathema­tisch-naturwissenschaftlicher Schulen (MINT-EC) gestar­tete Pilotprojekt soll Lehrern und Schülern und einen einfachen und überfall verfügbaren Zugang zu Lern- und Lehrmaterial zur Verfügung stellen.
  • Mini-Computer Calliope. Der Mini-Computer soll ab 2017 an Drittklässler verteilt werden, um spielerisch Program­mieren zu lernen. Das Projekt wird vom BMWi gefördert, aus der Wirtschaft wird es von zahlreichen IT-Unterneh­men, darunter Google, Microsoft und SAP, und auch dem Schulbuchverlag Cornelsen unterstützt.

Nach dem IT-Gipfel ist vor dem Digital-Gipfel

Bundeswirtschaftsminister Gabriel hatte in seiner Eröff­nungsrede angekündigt, dass der zehnte Nationale IT-Gipfel auch der letzte sein soll – jedenfalls unter diesem Namen. Schon im Juni 2017 will die Bundesregierung zur elften Veranstaltung dieser Art einladen, dann soll sie allerdings Digital-Gipfel heißen. Veranstaltungsort wird die „Metro­polregion Rhein-Neckar“, wahrscheinlich geht es nach Lud­wigshafen. Das Schwerpunktthema beim letzten Gipfel vor der Bundestagswahl wird „eHealth“ sein. Bundeskanzlerin Merkel sagte in ihrer Saarbrücker Rede bereits, was sie bei diesem Thema für ein abschreckendes Beispiel hält: Die Ein­führung der Gesundheitskarte.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.

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