Denker der Digitalisierung: Singularity University in Berlin
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Führende Köpfe erklären die Welt.
Sie wollen den Tod durch Digitalisierung überwinden und schon in 15 Jahren das menschliche Gehirn mit der Cloud verbinden. Und jetzt kommen sie zum ersten Mal nach Berlin: die radikalen Vordenker von der Singularity University. Am 20. April startet der Thinktank aus dem Silicon Valley seine zweitägige Lehrveranstaltung für Führungskräfte im Palais am Funkturm. Nur 500 Teilnehmer sind zugelassen und bei jeder Anmeldung wird genau geprüft, ob sie überhaupt genehmigt wird.
Die Eintrittskarten für 2.000 Euro waren dennoch im Nu vergriffen und glücklicherweise gingen einige an Telefónica. Wir sind jetzt schon gespannt, was unsere Kollegen danach berichten werden, denn die Visionen und Pläne der Singularity University sind wirklich unglaublich. Sie wurde 2008 mit Geld von Firmen wie Google, Autodesk oder Genentech auf dem NASA-Forschungsgelände in Moffett Field bei San José gegründet.
Zu ihren Dozenten gehören einige der klügsten Köpfe der Welt, die sich wichtigen Themen stellen: Energie und Jobs, Bildung, Weltraum und Medizin. Sie sind überzeugt, dass Technik die Probleme der Welt lösen wird. Die Uni versteht sich dabei nicht nur als Thinktank, sondern auch als Ausbilder und Startup-Accelerator. Ihr Motto ist „Think Big!“, genau wie bei dem Jugendaktionsprogramm von Telefónica.
Rob Nail: Arbeit von künstlicher Intelligenz erledigen lassen
Der CEO der visionären Bildungseinrichtung, Rob Nail, träumt beispielsweise jetzt schon davon, den Großteil seiner Arbeit von künstlicher Intelligenz erledigen zu lassen: „Ich glaube, dass 70 bis 80 Prozent der Entscheidungen, die ich jeden Tag treffe, auch von einem Algorithmus getroffen werden könnten“, zitiert ihn SPIEGEL online. „Wir könnten die Plattform so programmieren, dass sie genauso gut entscheidet wie ich, wenn nicht sogar besser.“ Eine Software wird schließlich niemals müde oder hungrig oder von persönlichen Problemen beeinflusst. Sie entscheidet immer logisch wie Mister Spock aus StarTrek. Rob Nail wird auch die Veranstaltung in Berlin eröffnen.
Aus solchen Gedanken ergibt sich auch logischerweise der Ratschlag, nicht jedes Meeting in der Firma zu besuchen. Die Führungskräfte sollten lieber ihren Telepräsenz-Roboter hinschicken, empfiehlt Peter Diamandis, Luftfahrtingenieur und Mitbegründer der Singularity University. So könne man von überall mit seinem Team kommunizieren, statt immer selbst im Raum zu sein. Auch das ist Arbeit 4.0 – die vernetzte Zukunft der Arbeit – und Telefónica präsentierte schon im Februar die passende Hardware dafür: Der Double Robot der jungen Tocherfirma TokBox war der große Hit am Telefónica-Stand auf dem Mobile World Congress.
Nächster Schritt: Gehirn direkt mit der Cloud verbinden
Mit solchen intelligenten Helfern übersteht man auch die Disruption leichter, die momentan durch alle Industrien fegt. Das griffige Modewort bezeichnet jene innovativen Trends und Techniken, die seit einigen Jahren ständig aufkommen und dabei bestehende Produkte oder Dienstleistungen immer schneller verdrängen: Whatsapp statt SMS, Tesla statt Daimler, Uber statt Taxi oder Netflix statt Fernsehen – es gibt bereits unzählige Beispiele und kaum ein Stein bleibt auf dem anderen.
Der nächste große Schritt in der digitalen Revolution ist auch schon absehbar: Schon in 15 Jahren sollen sich die ersten Gehirne direkt mit der Cloud verbinden lassen, hieß es neulich bei einem Workshop der Singularity University. Dann hat man das Wissen von Google und auch seine Services gleich immer im Kopf dabei. Wer braucht dann noch ein Smartphone?
Auf solche Entwicklungen müssen heutige Firmenlenker vorbereiten und die Singularity University hilft ihnen. Die Sessions in Berlin tragen deshalb klingende Namen wie Robotik, Autonomes Fahren, Globale große Herausforderungen, künstliche Intelligenz, Zukunft der Arbeit oder Exponentielle Organisationen.
Ray Kurzweil: Tod durch Digitalisierung überwinden
Doch was ist das mit dem Tod? Das ist der Plan von Ray Kurzweil, dem Direktor der Singularity University und Leiter der technischen Entwicklung bei Google: die Überwindung des Sterbens durch Digitalisierung. „Ich laufe mit einer veralteten Software in meinem Körper herum“, erklärte er schon 2012 bei seinem Auftritt auf der IFA in Berlin. Unsere Zukunft sei eine Welt, in der Menschen und Maschinen zusammenwachsen und in der „wir auch unser Gehirn ins Internet bringen“ können. Die Software des Lebens werde jetzt neu programmiert, biologische und nichtbiologische Intelligenz würden miteinander verschmelzen.
Schon bald könnten künstliche Hightech-Blutzellen den Körper bevölkern – und wenn eine neue Krankheit kommt, wird sie einfach mit einem passenden Software-Update für diese kleinen Helfer bekämpft. Der ganze Alterungsprozess werde damit gestoppt, glauben solche Transhumanisten. Ray Kurzweil ist jetzt 68 Jahre alt und schluckt täglich 150 Pillen, weil seine Digital-Medizin bisher noch nicht bereitsteht.
Mal sehen, ob auch dieses Thema ab morgen bei der Singularity University in Berlin angesprochen wird.