Das Digitalpaket der EU-Kommission: Für einen stärkeren und fairen Wettbewerb im Netz

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Veröffentlicht am 07.01.2021

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Als Meilenstein bezeichnete Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager die Legislativvorschläge der EU-Kommission zu digitalen Diensten und Märkten. Diese sehen unter anderem Vorschriften für Online-Plattformen vor, die die Rechte von Nutzern und kleineren Händlern stärken sollen. In Deutschland sollen Regelungen zum fairen Wettbewerb schon davor durch die GWB-Novelle in Kraft treten. Dabei kommt es aber zu Verzögerungen.

Die EU-Kommission hat mit dem Digitalpaket eines ihrer wichtigsten Gesetzesvorhaben in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Die Legislativvorschläge zu digitalen Diensten – Digital Services Act (DSA) – und digitalen Märkten – Digital Markets Act (DMA) – sollen für einen fairen Wettbewerb im Netz sorgen und die Macht großer Plattformen beschränken.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, bezeichnete die Vorhaben bei der Vorstellung in Brüssel am vergangenen Dienstag als Meilensteine. Es gehe darum, Kunden sichere, vertrauenswürdige Produkte anzubieten, mehr Transparenz auf Plattformen zu ermöglichen und Nutzer vor schädlichen Inhalten zu schützen. Unternehmen sollten dabei in einen fairen Wettbewerb treten können. Was offline illegal ist, sei es auch online. Online und offline seien „ein und dieselbe Welt“, betonte Vestager. Bis die Gesetze auch tatsächlich in Kraft treten, wird es aber noch einige Zeit dauern, denn zunächst müssen Parlament und Rat darüber beraten. Vestager rechnet hier mit einer Dauer von eineinhalb bis zwei Jahren.

Digitale Dienste

Im Vorschlag für eine Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste sind neue Sorgfaltspflichten für Plattformen vorgesehen: Illegale Inhalte müssen gelöscht werden, die Plattformen müssen mehr Möglichkeiten für Beschwerden schaffen sowie die Identität ihrer Händler prüfen, erklärte die Exekutiv-Vizepräsidentin. Dazu sollen in ganz Europa die gleichen Regeln gelten, die an mögliche Sanktionen geknüpft werden.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay User PhotoMIX-Company | Ausschnitt bearbeitet

Das Gesetzesvorhaben betrifft Online-Vermittler, die Inhalte speichern und übertragen, worunter laut Kommission, Internetdiensteanbieter, aber auch Betreiber von Cloud- und Messaging-Diensten, Marktplätzen oder sozialen Netzwerken fallen. Außerdem gibt es besondere Sorgfaltspflichten für Online-Plattformen, zu denen soziale Netzwerke, Plattformen für das Teilen von Inhalten, App-Stores, Online-Marktplätze sowie Online-Reise- und Unterkunftsvermittlungsplattformen zählen.

Als sehr große Online-Plattformen gelten solche, die mindestens 45 Millionen Nutzer in der EUbeziehungsweise zehn Prozent der Bevölkerung erreichen. Sie sollen auch einer neuen Aufsichtsstruktur unterliegen, die aus einem Gremium nationaler Koordinatoren für digitale Dienste bestehen soll. Die Kommission soll besondere Befugnisse bei der Beaufsichtigung sehr großer Plattformen mit der Möglichkeit zu Sanktionen erhalten.

Digitale Märkte

Der Vorschlag für eine Verordnung über digitale Märkte nimmt vor allem die ganz großen Player unter den Plattformen in den Blick, die Torwächter oder Gatekeeper, die den Zugang zu Märkten für kleinere Unternehmen und Wettbewerber aufgrund ihrer Marktmacht beeinflussen können. Ob eine Plattform als Gatekeeper gilt, wird über mehrere Kriterien ermittelt: Größe, Präsenz in mehreren Mitgliedstaaten, Zahl aktiver Nutzer und eine voraussichtlich gefestigte Position im Markt.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / LoboStudioHamburg | Bildname: internet-whatsapp | Ausschnitt bearbeitet

Als Maßstab für die Größe gilt ein Jahresumsatz in den letzten drei Geschäftsjahren im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) von mindestens 6,5 Milliarden Euro oder ein Marktwert im letzten Geschäftsjahr von mindestens 65 Milliarden Euro und der Betrieb eines zentralen Plattformdienstes in mindestens drei Mitgliedstaaten. Ein zentraler Plattformdienst verfügt im Monat über 45 Millionen aktive Endnutzer in der EU und 10.000 aktive gewerbliche Nutzer mit Niederlassungen in der EU. Als dauerhaft gefestigt gilt die Position eines Plattformanbieters, wenn dieser die genannten Kriterien in jedem der letzten drei Geschäftsjahre erfüllt hat.

Zu den wichtigsten geplanten Verboten für Gatekeeper-Plattformen zählt, dass sie Nutzer nicht daran hindern dürfen, vorinstallierte Apps oder Software zu deinstallieren. Daten von ihren gewerblichen Nutzern dürfen sie nicht verwenden, um ihnen Konkurrenz zu machen. Zudem dürfen sie Nutzer nicht daran hindern, auf Dienste zuzugreifen, die sie außerhalb der Plattform des Torwächters erworben haben, heißt es von der EU-Kommission.

Bei Verstößen gegen die geplanten Regeln kündigte Vestager Sanktionen an. So könne die Kommission Geldbußen von bis zu zehn Prozent und Zwangsgelder von bis zu fünf Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen. In Fällen wiederholter Verstöße könnte auch eine Abspaltung von Geschäftsbereichen angeordnet werden.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte, die Gesetze seien „für unsere Demokratie“, für Innovationen, für unsere Unternehmen gemacht. Es liege noch viel Arbeit vor der Kommission, wie die Verhandlungen mit dem Parlament. Die Legislativvorhaben seien aber „sehr gut“ vorbereitet. Es gehe darum, eine Struktur für die nächsten Jahre vorzugeben, auf die sich die Unternehmen verlassen können.

Deutschland: Verzögerung bei GWB-Novelle

Von deutscher Seite begrüßte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Vorschläge der Kommission. Er verwies zudem auf die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die sich aktuell im parlamentarischen Verfahren befindet. Sie soll schnellstmöglich schon national für ein faires digitales Wettbewerbsrecht sorgen, unter anderem durch konkrete Verhaltenspflichten für Plattformunternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung und mehr Handlungsspielraum für das Bundeskartellamt.

Die Pläne, die GWB-Novelle möglichst bald zu verabschieden, wurden zuletzt jedoch vom Koalitionspartner durchkreuzt. Nach Informationen des Tagesspiegels hat das SPD-geführte Bundesjustizministerium Bedenken gegen die sogenannte Rechtswegverkürzung vorgebracht. Dieser geplante Passus soll regeln, dass Streitfälle um die Anwendung des Paragraphen 19a der Novelle, in dem es um die Feststellung von Digitalplattformen mit überragender marktübergreifender Bedeutung geht, künftig direkt beim Bundesgerichtshof geklärt werden sollen. Hansjörg Durz, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, forderte schnellere Kartellverfahren, um der Geschwindigkeit auf Digitalmärkten gerecht zu werden. SPD-Berichterstatter Falko Mohrs betonte, in der Sache bestehe kein Konflikt zwischen den Koalitionsfraktionen. Es gehe darum, dass die Regelungen auch rechtssicher seien, nach dem Motto „Gründlichkeit vor Schnelligkeit„. Im Bundestag wurde die 2./3. Lesung der GWB-Novelle am 17. Dezember von der Tagesordnung gestrichen. Der Wirtschaftsausschuss soll sich nun am 13. Januar erneut damit befassen, die 2./3. Lesung ist für den darauffolgenden Tag angesetzt.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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