Bundestagswahl 2017: Linke, Grüne und FDP im Twitter-Wahlkampf

Veröffentlicht am 24.03.2017

Auf den #Schulzzug aufspringen und #r2g ansteuern oder versuchen, eigene Themen zu setzen? Vor dieser Frage stehen derzeit die kleineren Parteien im Bundestagswahlkampf, der in den sozialen Netzwerken längst begonnen hat. Während sich die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit auf den SPD- Spitzenkandidaten Martin Schulz und den Zweikampf mit der Amtsinhaberin Bundeskanzlerin Angela Merkel richten, müssen sich Linke, Grüne und Co. richtig was einfallen lassen, um trotzdem wahrgenommen zu werden. Bei Twitter sind es die Bundesgeschäftsführer Michael Kellner (Bündnis 90/Die Grünen), Matthias Höhn (Die Linke) und Marco Buschmann (FDP), die den Generalsekretären der Regierungsparteien Paroli bieten. Die AfD verfügt weder über einen Generalsekretär noch über einen Bundesgeschäftsführer.

Michael Kellner: Twittern für den Klimaschutz

Irres Statement“, findet der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen Michael Kellner, „klingt so als wäre er gegen den Obersalzberg geknallt und mit völliger Geschichtsvergessenheit aufgewacht”.

In Kellners „Pinned Tweet” an prominenter Stelle seines Profils geht es um den CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich, der Ende Januar twitterte:

„AmericaFirst heißt offene Märkte, transatlantische Freundschaft und Verteidigung unserer Kultur! Identisch also mit #GermanyFirst“.

Michael Kellner kommentiert oft – vor allem rechtspopulistische Aussagen von #AFD, #CSU und #Seehofer, den Kellner auch schon mal #Trumphofer nennt. Generalsekretär der CSU Andreas Scheuer empfiehlt er das Wahlprogramm der Grünen. Über Bundeskanzlerin Merkel schreibt Kellner hingegen wenig, aber er stellt klar: „Wer Angela #Merkel wählt, wählt auch Horst #Seehofer.“

Bei der SPD und #Schulz beklagt Kellner eine „Leerstelle“ beim Klimaschutz, aber er freut sich auch über ein gemeinsames Meinungshoch in den aktuellen Umfragen. Mit SPD-Kollegin Katarina Barley herrscht auf Twitter zumindest Einigkeit; Kellner retweetet ihr Foto der beiden beim Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Zeichen für Mitmenschlichkeit und Toleranz”. Denn Kellner ist offen für die rot-rot-grüne Koalition. Lafontaine, der in einem Artikel  #r2g ablehnt, wirft Kellner „Angst vorm Regieren“ vor und bekräftigt: „Dabei gerade jetzt für eine freie Gesellschaft und ökologische Welt.” Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht, die „klingt als wäre sie Spitzenkandidatin der #AfD“, kritisiert Kellner allerdings laut.

Am häufigsten erwähnt Kellner die eigene Partei und postet zu den traditionellen grünen Themen wie #Klimaschutz und #Kohleausstieg. Kellner nutzt Twitter eher selten, um die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir zu profilieren. Er informiert aber oft über den Wahlkampf. „Programmdebatten machen Spaß“, kommentiert er den Entstehungsprozess des grünen Wahlprogramm-Entwurfs und postet das Ergebnis mehrmals. Kellner verweist auf steigende Mitgliederzahlen und Interaktion mit potentiellen Wählern, beispielsweise per Messenger-Dienst oder Haustür-Wahlkampf. Und stolz erinnert Kellner auch immer wieder an die Selbstverpflichtung seiner Partei für fairen Wahlkampf – ohne #SocialBots, aber mit „#Netzfeuerwehr gegen Betrug und Hetze“– zum Beispiel um „die Lügen der #AFD zu stoppen“.

Matthias Höhn: Twittern gegen die AfD

Der Bundesgeschäftsführer der Linken Matthias Höhn ist nicht ganz so aktiv in dem sozialen Netzwerk wie sein Kollege von den Grünen und auch die Nutzung des Mediums ist anders. Höhn kommentiert am liebsten aktuelle politische Geschehnisse oder Aussagen. Oft reichen ihm die 140 Zeichen bei Twitter nicht aus, dann verlinkt er auf seine längeren Facebook-Kommentare. „Armut auf Rekordhoch“ thematisiert Höhn ebenso wie Abschiebungen nach Afghanistan, die er verurteilt. Die vom Bundesverteidigungsministerium geplante Aufstockung der Bundeswehr bezeichnet er als „überflüssigen Unfug“. Höhn spricht sich gegen elektronische Fußfesseln aus oder kritisiert #Getex, die Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise von Bundeswehr und Polizei.

SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz steht Höhn skeptisch gegenüber und postet beispielsweise die Anschuldigung, Schulz Wahlkampfmanager habe von fragwürdigen Zahlungen profitiert. Auch prangert er die SPD in ihrer Haltung zur Verschärfung des Asylrechts an. Eine Koalition mit den Sozialdemokraten schließt er nicht aus, es brauche jedoch einen #politikwechsel in der Partei. Bundeskanzlerin Merkel erwähnt Höhn fast gar nicht, aber die CDU kritisiert er beispielsweise für Pläne, die Rüstungsausgaben nach der Wahl steigern zu wollen. Am meisten aber schreibt Höhn über die #AFD in seinen Tweets, kommentiert beispielsweise Aussagen von Mitgliedern der rechtspopulistischen Partei im Landtag von Sachsen-Anhalt, wo Höhns Wahlkreis liegt.

Für Parteikampagnen und Wahlkampfaktionen nutzt Höhn Twitter derzeit eher nicht. Die Aufforderung, zum Wahlkampf #linksaktiv zu werden – ein Retweet der @dieLinken – bleibt einer der wenigen Posts zum Thema. Und wie bei Kollege Kellner liegt der Fokus eher auf den Themen der Partei als auf den Personen an der Spitze. Co-Parteivorsitzende Katja Kipping erwähnt er bei 200 Tweets in einem Jahr immerhin viermal, alle anderen der Zwei-plus-Zwei Spitze bekommen zwei Tweets, in denen er sie auch gleich alle zusammen aufführt. Der letzte dieser Tweets stammt von November 2016 und handelt vom linken Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten, Professor Christoph Butterwegge.

Marco Buschmann: Twittern für Lindner

Der Star auf dem Twitterkanal des Bundesgeschäftsführers der FDP Marco Buschmann heißt Christian Lindner. Denn der hat gleich zwei Spitzenkandidaten-Jobs: Er soll die FDP wieder in den Bundestag bringen und vorher in der Landtagswahl von NRW stark machen. Bei diesen Aufgaben gibt Buschmann dem Freidemokraten Rückenwind, nennt ihn sogar häufiger als SPD-Kollegin Barley den 100-Prozentmann Schulz. Genau 59 Mal erwähnt Buschmannden FDP-Bundesvorsitzenden @c_lindner in den letzten 200 Tweets. Oft postet Buschmann Lindners Aussagen von Auftritten bei Talkshows oder FDP Veranstaltungen.

Meine Sorge ist nicht, dass es #Digitalisierung gibt, sondern dass sie ohne uns stattfindet”, zitiert er den FDP-Chef.

Digitale Themen sind auch Buschmann wichtig, beispielsweise digitale Bürgerrechte und Netzausbau, den Lindner mit der Privatisierung der Post finanzieren will.

Die Grünen sieht Buschmannals Konkurrent um die Stimmen der SPD. Vor allem der „Linksruck der #SPD unter #Schulz treibt #FDP lauter neue Mitglieder zu”, schreibt Buschmann Ende Februar. Den SPD-Kandidaten kritisiert Buschmann beispielsweise dafür, dass seine Partei nicht wie versprochen den Solidaritätszuschlag für Gering- und Normalverdiener abgeschafft habe. „#Merkel hat die Politik zu lange narkotisiert“, paraphrasiert Buschmann Lindner und die CDU sei wirtschaftspolitisch ausgefallen.

Und auch Buschmann twittert vom Wahlkampf:

„Wow! #FDP-Bundesvorstand hat in Klausurtagung so viele programmatische Beschlüsse gefasst wie nie”.

Er freut sich über neue Mitglieder in der FDP und kann positive Umfrageergebnisse zur Sonntagsfrage posten. Mit „gib der Republik wieder Hoffnung” in einem Schriftzug, der an „Star Wars“ erinnert, wirbt Buschmann für den Eintritt in die FDP.

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