Brexit: Angstkampagne soll Briten überzeugen

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Veröffentlicht am 16.03.2016

In or out? Das ist die Frage, über die die Briten am 23. Juni in einem „Brexit“-Referendum (öffnet in neuem Tab) entscheiden sollen. Das endgültige Datum für den Volksentscheid hatte Premierminister David Cameron (öffnet in neuem Tab) im Februar bekanntgegeben. Vor der Abstimmung über Großbritanniens Verbleib in der Europäischen Union gehen Befürworter und Gegner in die Offensive beim Kampf um die Stimmen der Wähler.

Camerons Dilemma

David Cameron
David Cameron hofft auf eine blühende Zukunft seines Landes als Mitglied der EU, Foto: CC BY 2.0 (öffnet in neuem Tab) Flickr User Medill DC (öffnet in neuem Tab). Bildname: British Prime Minister David Cameron/ Ausschnitt bearbeitet
David Cameron hat es nicht leicht… Erst die Abstimmung über den Verbleib von Schottland im Vereinten Königreich (öffnet in neuem Tab) und jetzt die Abstimmung über den Verbleibt des Vereinten Königreichs in der Europäischen Union. Nach dem er den Zerfall bei der ersten Abstimmung im letzten Moment noch abwenden konnte, stehen die Wetten derzeit gegen den konservativen Premier: 52 Prozent befürworten den Ausstieg aus der EU (öffnet in neuem Tab). David Cameron hat hoch gepokert, bei dem Versuch die konservativen Tories (öffnet in neuem Tab) gegen die noch konservativere „United Kingdom Independence Party“ (öffnet in neuem Tab) (UKIP) zu positionieren. Bereits 2013 – im Vorfeld der Europawahlen und des schottischen Referendums – kündigte Cameron ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU an, um mit der EU über weitere Vergünstigungen verhandeln zu können. Nachdem der Rat der Europäischen Union (öffnet in neuem Tab) im Februar ein umfassendes Reformpaket für Großbritannien geschnürt hat, muss der Premier nun glaubhaft seinen Unterstützern und den britischen Wählern vermitteln, dass die EU-Mitgliedschaft sich wirtschaftlich für das Land lohnt. Andernfalls könnte Cameron als „Brexit“-Premier – als der Mann, unter dem Großbritannien aus der Europäischen Union austrat – in die Geschichte eingehen. Möglich macht es der Artikel 50 des Lissabon-Vertrages (öffnet in neuem Tab), in dem die Mitgliedsstaaten 2009 zum ersten Mal festlegten, dass so ein Austritt theoretisch rechtens wäre.

„Project Fear“ für den Verbleib in Europa

Seit dem EU-Gipfel im Februar verschwendete der britische Premier kaum mehr einen Tweet auf ein anderes Thema. Wozu auch? Bei dem Referendum geht es laut Cameron ja um alles – britische Jobs, britische Grenzen, den Britischen Pfund, die Zukunft Großbritanniens eben. „Ich habe diese Woche mit 4.000 Leuten gesprochen und bin 1.500 Meilen durch das Land gereist, um für den Verbleib in der EU zu werben“, twitterte er (öffnet in neuem Tab) kürzlich mit einem Bild von einer Ansprache vor Landwirten, seiner traditionellen Wählerschaft. Camerons Strategie ist simpel: Er stellt den möglichen „Brexit“ als „Wagnis des Jahrhunderts“ (öffnet in neuem Tab) dar. „Project Fear“ (öffnet in neuem Tab) nennt die britische Boulevardpresse das. Statt den Wählern die EU schönzureden, beschwört er die Risiken des Ausstiegs. Diese Strategie hat schon 2014 bei dem Referendum zur schottischen Unabhängigkeit gewirkt. Für die Kampagne hat Cameron sich wieder die gleichen Leute ins Boot geholt: Seinem Kommunikationschef Craig Oliver (öffnet in neuem Tab) und Schatzkanzler George Osborne (öffnet in neuem Tab) sowie den ehemaligen Obama-Berater Jim Messina (öffnet in neuem Tab), der auch seinen Wahlkampf begleitet hat. Im Mittelpunkt der Kampagne steht Cameron selbst, der mit wirksamen TV-Auftritten und effektiver Social-Media-Präsenz für den EU-Verbleib wirbt. Die BBC hat bereits drei TV-Debatten für die nächsten Monate angekündigt, wovon die letzte „das größte Kampagnenereignis der BBC-Geschichte“ (öffnet in neuem Tab) werden soll.

Neue „In“-Kampagnen

Der „In“-Flügel der konservativen Partei hat bereits eine eigene Kampagne gestartet – „Conservatives IN“ (öffnet in neuem Tab) – die auf Camerons Rhetorik eines „stärkeren, sichereren, besseren“ Großbritannien in der EU (öffnet in neuem Tab) setzt. Auch Kampagnen von nicht-parteigebundenen Interessengruppen laufen auf Hochtouren. Rückenwind bekommt der Premier beispielsweise von der Lobbygruppe „Britain Stronger in Europe“ (öffnet in neuem Tab), die unter Anleitung von Campaigning-Guru Roland Rudd (öffnet in neuem Tab) über die Vorzüge der EU informiert. Mit Slogans wie „Jeder Pfund ist 20 % weniger wert wenn wir die EU verlassen“ oder „Für jedem Pfund, den wir in die EU stecken, bekommen wir 10 wieder zurück“ verpackt als „sharable content“ in den sozialen Netzwerken will die Gruppe die öffentliche Meinung beeinflussen. Auch die Labour-Partei (öffnet in neuem Tab) weiß Cameron inzwischen an seiner Seite. Die britischen Sozialdemokraten hatten sich im Herbst nach langer Unschlüssigkeit für ein „Ja“ zu Europa entschieden und führen inzwischen eine eigene „In“-Kampagne (öffnet in neuem Tab).

Ein starkes „Nein“

Den ersten heftigen Gegenschlag für Cameron kam aus den eigenen Reihen, denn seine Partei ist in der Brexit-Frage tief gespalten. Boris Johnson (öffnet in neuem Tab), der „Tory“-Bürgermeister von London und inoffizielle „No. 2“ im Land, entsetzte kürzlich mit der Aussage, er sei für ein „Out“. Mit der Unterstützung des beliebten Politikers aus der Hauptstadt hätte die Kampagne des „Remain“-Lagers entscheidenden Schwung gewinnen können. Doch die Briten verdienten einen „besseren Deal“ (öffnet in neuem Tab) als den, den Cameron im Februar in Brüssel ausgehandelt hatte, beschied Johnson. Die Brexit-Befürworter um die Euroskeptikerpartei UKIP freuen sich indes über die prominente Unterstützung. Ihnen fehlte bisher eine Gallionsfigur. Die „Out“-Kampagnen haben einen entscheidenden Vorteil: Erfahrung. UKIP befürwortet schon seit Jahren den EU-Austritt.

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