Ausbau des Mobilfunkstandards LTE – nur ein Etappenziel

Veröffentlicht am 06.06.2013

Autorin: Monika Ermert

Nicht immer ist Breitband drin, wo Breitband drauf steht. Die Bundesnetzagentur lieferte dazu im Frühjahr Zahlen und lud Netzbetreiber am 28. Mai zur Aussprache über ein künftiges Standardmonitoring der Datenraten. Gerade LTE-Anschlüsse, mit denen Gemeinden im ländlichen Raum mit größeren Datenraten versorgt werden sollen, schnitt schlecht ab in der Statistik. Gerade mal 1,6 Prozent der Nutzer bekam tatsächlich seine eingekauften 25-50 Mbit/s, 80 Prozent bekamen weniger als die Hälfte.

Im vergangenen November meldete die Netzagentur fast euphorisch: der LTE-Ausbau in ländlichen und halb städtischen Gemeinden in der Fläche ist abgeschlossen (Karte auchhier). Knapp 250 Seiten engbedruckter Listen von Gemeinden ohne ausreichende Breitbandversorgung hatten die Bundesländer vorgemeldet – mancherorts hatten in den „weißen Flecken“ nicht einmal die Hälfte der Einwohner 1 Mbit-Leitungen.

Weiße Flecken schließen – Mission erfüllt?

Auflage für die Netzbetreiber, die die 800 Megahertz-Frequenzen erhalten hatten – alte Rundfunkfrequenzen, die im Rahmen der Digitalisierung frei geworden waren – war das Ausrollen von LTE-Breitbandanschlüssen auf dem Land.

Man sei sehr zufrieden, dass dieser Ausbau zwei Jahre nach der Frequenzversteigerung bereits abgeschlossen sei, unterstrich ein Sprecher der Netzagentur auf Anfrage noch einmal. Ja, in allen vorgemeldeten Gemeinden, oder doch in 90 Prozent gebe es ein LTE-Angebot der Lizenznehmer Deutsche Telekom, Vodafone und O2. Trotz der in der Studie bilanzierten Einschränkungen bei den Datenraten, für viele Nutzer böten die LTE-Anschlüsse überhaupt erstmals größere Datenraten. Laut dem Jahresbericht stieg die Anschlusszahl von stationärem LTE 2012 von 300.000 auf 623.000.

Das LTE-Protokoll ist sexy, sagen Netzwerkexperten. Anders als seine Vorgänger GSM und UMTS macht Long Term Evolution, Mobilfunkprotokoll der vierten Generation, den Brückenschlag zum Internet Protokoll (IP). Kürzere Latenzzeiten, schwärmen die Techies. Einfachere, kostengünstigere Architektur, kalkulieren die Unternehmen.

Von 100 MBit weit entfernt

Die Reaktionen der „Dörfler“, die sich hier und da auf privaten Blogs nachlesen lässt, bleibt zwiespältig.

Surfen mit 7,2 MBit für 40 Euro mit dem DTAG Call & Surf ComfortCall Tarif (oder vergleichbare Tarife bei Vodafone Zuhause Telefon & Internet) – klingt gut, wenn es kein DSL gibt, meint etwa Fotograph Boris Nienke in Northeim in Niedersachsen. Dass 100 MBit nicht drin sind, weil die Datenrate auch davon abhängt, wie viele Nutzer an einer Basisstation hängen („shared medium“), sei mittlerweile bekannt. Rund 267 Euro Startkosten für sein Paket – für Router, Einrichtung, Versand und den ersten Monat Breitband mit nicht garantierten Datenraten (selbst bei bescheidenen Uploadgeschwindigkeiten von 1,4 MBit pro Sekunde) – waren Nienke zu teuer.

Den Ausschlag gegen LTE gibt letztlich allerdings meist die Drosselung des Datenverkehrs bei Überschreiten fest gelegter Volumina. Ab übertragenem Datenvolumen von 10 Gigabyte im Monat wird auf maximal 384 Kbit/s und 64 Kbit/s für den Upstream begrenzt – ein Angebot wie aus den 80er Jahren, bilanzierte Nienke.

Gedrosselter Datenfluss und Netzneutralitätsdebatte

Die bisherigen LTE-Breitbandangebote seien ein erstes Etappenziel, räumt man bei der Netzagentur ein. Natürlich müsse das Netz weiter ausgebaut werden. Das Problem, dass nicht jede (teure) Hardware jedes Angebot unterstützt werde mit der Einführung neuer Gerätegenerationen behoben, hofft man. Geräte von Apple etwa unterstützen die 800 Megahertz-Frequenz nicht, sondern nur den parallel in großen Städten ausgebaute 1800 Megahertz-Variante.

Wettbewerb zwischen verschiedenen LTE-Angeboten könne Bewegung in die Preis- und Paketgestaltung bringen. Dass gerade auch für die Nutzer in unterversorgten Gebieten erstmal nur gedrosseltes Breitband zur Verfügung steht, nimmt man erst einmal hin.

Letzteres ist erstaunlich angesichts der wieder aufgeflammten Debatte, um die Ankündigung der Deutschen Telekom, den Datenverbrauch auch bei DSL zu kappen. Statt Übernahme von Flatmodellen im breitbandigen Mobilfunknetz soll die Anpassung eher in die entgegengesetzte Richtung gehen: Drosselung nach 75/50/100 oder 200 Gigabyte bei DSL-Anschlüssen. Die Ankündigung hat Deutschland eine neue Debatte über Netzneutralität beschert, vor allem weil eigene Inhalte und Dienste-Angebote gegenüber denen der Konkurrenz bevorzugt werden solle. Auch bei der Netzagentur, sowie beim Kartellamt werden die DTAG-Vertragsänderungen geprüft.

Es gelte dringend, eine Debatte zu Universaldienstverpflichtungen zu führen, forderte der Jurist Chris Marsden, Professor an der Universität Sussex, diese Woche bei einem Workshopzur Netzneutralität in Brüssel. Davon müssten freilich die Universaldienstanbieter auf dem Land auch betroffen sein. Es sei möglich für den Regulierer, eine Mindestqualität fest zu legen, heißt es bei der Netzagentur. 384 Kbit/s im Down- und 64 Kbit im Upstream für alle Dienste, die nicht vom Netzbetreiber kommen, dürften dabei nicht die Marke sein. Das Versprechen der Bundesregierung zur Grundversorgung (bis 2014 sollen 75 Prozent der deutschen Haushalte mit Anschlüssen „bis zu 50 Mbit/s“ ausgestattet sein) wäre damit jedenfalls nicht wirklich erfüllt.

Noch bis September läuft zunächst eine Konsultation der Bundesnetzagentur zur Verbesserung der Transparenz von Vertragsinhalten bei Breitbandangeboten, siehe hier.

Die E-Plus Gruppe unterstützt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beim Aufbau einer Plattform zu Fragen der Internet-Regulierung. Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen dieser Kooperation auf UdL Digital.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion