Wie Apps von Medienmarken erfolgreich werden und bleiben: Eindrücke vom 24. Mobilisten-Talk

Foto: Henrik Andree
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Veröffentlicht am 15.09.2017

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Rundumschlag von Usability über neue Plattformen und Premium-Angebote bis hin zu Programmatic Advertising: Bei unserem 24. Mobilisten-Talk „Mobile & Medien“ gestern Abend im Telefónica BASECAMP in Berlin drehte sich alles um die zentrale Frage, wie Apps von Medienmarken erfolgreich werden und bleiben. Zur Einstimmung erzählte Sebastian Spang, Leiter des Digital-Bereichs von BurdaNews, von der Wandlung der Medienmarke TV Spielfilm vom Printprodukt über die 2010 eingeführte App bis hin zum Streaming-Anbieter des laufenden TV-Programms.

TV Spielfilm hat etwas, was jede App braucht, um erfolgreich zu sein: der Nutzer löst damit ein Problem. In diesem Fall ist es vereinfacht gesagt die Antwort auf die Frage „Was läuft um 20:15 Uhr?“ Das gilt seit 25 Jahren für die Zeitschrift aber eben auch für die App. Damit hat diese im Bereich der Elektronischen Programm Guides (EPG) einen Marktanteil von satten 70%. Diese nutzt Burda und entwickelte die App weiter, so dass seit zwei Jahren auch das laufende TV-Programm gestreamt wird. Und zwar auf allen relevanten Plattformen von PC über Smartphone und Tablet bis hin zu Lösungen direkt für den Fernseher wie Apple TV und Amazon Fire TV. Über all diese Plattformen hinweg haben sich seit dem Start des Streaming-Angebots vor zwei Jahren bis heute zwei Millionen Nutzer registriert. Allerdings ist davon bisher nur ein kleiner Teil bereit, monatlich auch die 9,99 Euro für ein Premiumangebot mit mehr Sendern und HD-Qualität auf den Tisch zu legen. Um diese Zahl zu steigern, wird TV Spielfilm live kontinuierlich weiterentwickelt: eine Recommendation-Engine schlägt jedem registriertem Nutzer ein maßgeschneidertes Programm vor und für die Zukunft ist ein virtueller Videorecorder geplant.

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Thorsten Jonas, Sebastian Spang, Florian Treiß, Nils Hachen und Dirk Kraus beim 24. Mobilisten-Talk; Foto: Henrik Andree

Die TV-Spielfilm-App wird von der Hamburger Digitalagentur CELLULAR betreut und Thorsten Jonas, Unit Director TV und Head of UX bei CELLULAR, erläuterte die Relevanz eines konsistenten plattformübergreifenen User Interfaces. Man soll sofort erkennen, dass man bei TV Spielfilm ist. Dennoch werden Details wie Menus an die jeweilige Plattform angepasst, damit der Nutzer die zugrundeliegende Plattform wiedererkennt.

Im zweiten Impulsvortrag sprach Emvolution-Gründer Sebastian Wolfsteiner über die Analyse von Echtzeit-Userdaten als Treiber für personalisierte Inhalte. Die Kombination von Kontext und Inhalt ist zentral für eine gute Personalisierung. Dazu müssten die Nutzer aber Daten von sich freiwillig preisgeben. Das würde zu einer deutlich besseren Kontextualisierung führen.

Auf dem anschließenden Podium gesellten sich noch Nils Hachen, Chief Digital Officer bei der Mediaagentur Zenith und Dirk Kraus, Gründer und wieder CEO des Mobile-Advertising-Pioniers YOC zu Sebastian Spang und Thorsten Jonas. Moderiert wurde die Runde wie immer vom Mobilbranche.de-Herausgeber Florian Treiß.

Usability als Erfolgsrezept von TV Spielfilm live; Foto: Henrik Andree

Zum Einstieg der Podiumsdiskussion erläuterte Nils Hachen, daß Apps den Mama-Papa-Oma-Test bestehen müssen, um zu bestehen. In den meisten Fällen sei eine App nur dann gut gemacht und habe ein gutes Potenzial, wenn ältere Familienmitglieder die App intuitiv bedienen können, so Hachen. Denn die im Markt befindlichen drei Millionen Apps sind schlicht zu viele. Andererseits gibt es auch unzählige Nischen, für die man im Zweifel sogar mehr als eine App benötigt um einen ganz bestimmten Usecase abzubilden. Nils Hachen selbst verwendet zum Beispiel gleich fünf verschiedene Surfsport-Apps.

Sebastian Spang betonte noch einmal, dass Apps ein Problem lösen müssen. Seine Nutzer hätten das „20:15-Uhr-Problem“, aber leider noch nicht so sehr das Problem, das sie die Sendungen direkt in der App sehen wollen. Daher sei diese Funktion innerhalb der TV-Spielfilm-App noch nicht so sehr nachgefragt.

Thorsten Jonas ergänzte, dass es bei Apps, die direkt auf dem TV laufen, sehr wichtig sei, sich nicht zu sehr von der ursprünglichen Funktion des klassischen Fernsehens weg zu bewegen. So könne man auch weniger digital affine Nutzer – die berühmte Oma – abholen. Dafür sei laut Sebastian Spang sogar eine eigene Set-Top-Box von TV Spielfilm denkbar, aber diese sei noch nicht konkret geplant. Burda und andere Medienhäuser verdienten zur Zeit noch gut mit Printwerbung. Aber damit der Umsatz auch in Zukunft stimme, investiere man viel in digitale Angebote. Der Markt für Fernsehen über das Internet (OTT) sei nicht so groß, aber er wachse, so Spang. Burda strebe für das nächste Jahr eine „ordentliche 5-stellige Zahl“ an Abonnenten des Premium-Angebots für 9,99 Euro im Monat an.

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Foto: Henrik Andree

Dirk Kraus von YOC sagte: „Vielleicht zwei Prozent aller Apps können sich so einen Preis leisten. Aber bei den Zahlen sind die Einnahmen dennoch zu niedrig. Daher braucht man ergänzend Werbung.“ Es sei schwierig, eine Relevanz zu generieren, um die Bezahlung einer App zu rechtfertigen. Selbst Sportrechte funktionieren nicht immer. BILD könne es sich laut Dirk Kraus beispielsweise erlauben, eine Premiumvariante zu haben aber das ginge nur weil, es durch die werbefinanzierten kostenlosen Angebote gegenfinanziert sei. Dirk Kraus weiter: „Wir wollen geile Werbung machen die funktioniert, ohne dem Nutzer auf die Ohren zu gehen. Wichtig ist dabei, relevant für den Nutzer zu sein. Wir machen nun auch Desktopformate, weil unsere gut funktionierenden mobilen Produkte von den Publishern auch für Desktop nachgefragt wurden. Es ist einfacher von Mobile auf Desktop zu gehen als umgekehrt, weil die technische Komplexität abnimmt. Das funktioniert mit unserem Understitial Ad und bald auch mit dem Inline Video Ad.“

Damit Werbung funktioniere, müsse man laut Nils Hachen „so nah am Kunden wie möglich dran sein“ – je mehr Datenpunkte es gäbe, desto so besser. Dann bekämen die Nutzer die richtige, also relevante, Werbung angezeigt. Nils Hachen wagte einen Blick in die Zukunft: „Schlaue Autos sollten nicht nur anzeigen, dass der Tank leer ist und wo die nächste Tankstelle ist, sondern die Tankstellen sollten die passenden Anzeigen programmatisch einkaufen und so in den Wettbewerb gehen.“ Ein Schritt in diese Richtung sei dann auch die neu gegründete Datenallianz Verimi. Dies werde ein Gegengewicht gegen die zur Zeit übermächtigen US-Player mit ihren Walled Gardens bilden.

Dirk Kraus ergänzte: „In UK macht YOC bereits 60% des Umsatzes programmatisch. Die klassische Wertschöpfungskette ist aufgebrochen. Die in Deutschland bisher üblichen Umsatzgarantien machen die Preise kaputt. In anderen Ländern hat YOC schon heute keine exklusiven Deals mehr. Das wird nun auch in Deutschland kommen.“

Zum Schluss wurde noch das Thema Viewability diskutiert. Laut Dirk Kraus einer der wichtigsten Pricingfaktoren: „YOC verkauft auf 100% Viewabilityrate nach IAB-Standard. Der Advertiser bekommt 100% , ausgeliefert werden dann 100% plus X. Um das zu messen, müssen SDKs immer aktuell gehalten werden. Das ist bei Apps ein großes Problem, das es im Mobile Web so nicht gibt.“ Nils Hachem ergänzte: „Als Mediaagenturen haben wir den Auftrag für 100% zu sorgen. FMCG-Hersteller wie Procter & Gamble, Nestlé oder Ferrero adressieren diese Themen. Denn sie wollen nicht für etwas zahlen, dass der Konsument nicht gesehen hat.“

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Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt vom Mobilbranche.de
– von Philipp von Roeder

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