Second Screen – Mitten drin statt nur dabei

Foto: Till Budde
Veröffentlicht am 04.09.2013

Das vergangene Wochenende war geprägt vom TV-Duell der Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres Herausforderers Peer Steinbrück am Sonntagabend. Fast 18 Millionen Zuschauer verfolgten die Übertragung auf einem der vier Fernsehkanäle. Und manche fügten dem Ganzen auch noch weitere Social Media-Kanäle hinzu: Glaubt man Verbraucherumfragen, so nutzten fast die Hälfte der Zuschauer zusätzlich einen „Second Screen“ und kommentierten das Duell parallel bei Twitter, Facebook, Google+ und anderen Netzwerken. Auch der Schlagabtausch von Jürgen Trittin, Gregor Gysi und Rainer Brüderle am Folgetag wurde unter #dreikampf debattiert und kommentiert. Allerdings nicht ganz so fleißig, denn #tvduell war an diesem Tag mit 173.000 Tweets in 90 Minuten Sendezeit das meist genutzte Schlagwort auf Twitter.

Heute Abend steht nun noch der bayerische #zweikampf zwischen Horst Seehofer und seinem Herausforderer Christian Ude aus. Dabei macht auch der Bayerische Rundfunk das Angebot, via „SocialTV im Netz“ über die Kandidaten zu diskutieren. Wie bereits bei den Kollegen von der ARD, die den Livestream des Wahl-Wettstreits mit einem Twitterfeed in übersichtlicher Kacheloptik begleiteten, soll die Netzgemeinde wieder fleißig mitdiskutieren und natürlich auch zuschalten. Dabei laufen die Fernsehsender allerdings Gefahr, dass aus dem Zu- ein Abschalten wird, wenn die Second die First Screen ersetzen, da man bisweilen lieber der Diskussion im Netz, als der Moderation im TV folgt.

Vor, während und nach dem TV

Trotz dieser Risiken macht sich die Fernsehbranche große Hoffnungen, dass sich Second Screen nicht nur für die politische Diskussion bewährt, sondern auch in anderen Bereichen die Fernsehlandschaft revolutioniert. Die ARD macht derzeit beispielsweise erste Versuche mit dem Tatort+. Ein ziemlich ausgeklügeltes Browserspiel bietet den Online-Kommissaren die Möglichkeit bereits vor der Ausstrahlung des Films mit der Beweisaufnahme zu beginnen, während der Ausstrahlung über einen Second Screen mehr Informationen zu sammeln, um nach dem Film dann einen weiteren Mord aufzuklären.

Um Zuschauer an sich zu binden, haben aber auch die privaten Sender bereits Angebote entwickelt: Die eigens programmierten Apps von ProSieben und Sat1 sollen die Zuschauer untereinander vernetzen und so das Gemeinschaftsgefühl stärken. RTL bietet auf seiner App den Livestream mit Zusatzinformationen wie Interviews oder zusätzlichem Bildmaterial. Durch die Kommunikation in spezifischen, auf das Fernsehprogramm abgestimmten Kanälen, wird dem Fernsehzuschauer zudem suggeriert, er könne direkt auf das Gesehene Einfluss ausüben und an Diskussionen teilnehmen, die für ihn sonst nicht zugänglich wären.

Die Zukunft des Second Screen

Eine Studie des Marktforschers TNS Infratest relativiert allerdings den Hype um das Second Screening: Lediglich 12 Minuten würden die Befragten nach eigener Einschätzung während des Fernsehens auch im Internet verbringen. Insgesamt geben nur 28 Prozent der 14- bis 64-Jährigen an, neben dem Fernsehen gelegentlich auch zum Zweitbildschirm zu greifen. Ein Wert, der übrigens seit 2010 gleich geblieben ist. Mit 44 Prozent ist der Wert der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen zwar erwartungsgemäß höher, aber es stellt sich natürlich die Frage, wie repräsentativ die Umfrage überhaupt ist. Denn wer einen Second Screen nutzt, hat vielleicht nicht immer einen Festnetzanschluss, den man allerdings für eine Umfrage von TNS Infratest braucht.

Den Zahlen zum Trotz glaubt die Fernsehbranche fest daran, dass man das Second Screening profitabel nutzen kann. Für die Einschätzung der Fernsehmacher spricht, dass laut einer Studie des Marktforschungsinstituts BI Intelligence Werbung auf Tablets oder Smartphones nicht als lästige Programmunterbrechung empfunden wird. In Zukunft kann man dann wohl mit speziell auf die Parallel-Nutzer zugeschnitten Werbekampagnen und Apps rechnen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

Foto: Till Budde

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