PEGIDA in den sozialen Netzwerken

Veröffentlicht am 08.01.2015

Am Montag hatte trotz bundesweiter Kritik das Anti-Islam-Bündnis Pegida in Dresden weiter Zulauf: 18 000 Menschen schlossen sich der „Pegida“-Kundgebung am Montag in Dresden an. Doch die Tatsache, dass deutschlandweit in verschiedenen Städten gleichzeitig viele tausend Gegendemonstranten zu Anti-Pegida-Kundgebungen auf die Straße gingen, zeigt, wie kontrovers die angebliche „Überfremdung“ des Landes gesehen wird.

Öffentliche Proteste ohne ein Echo in den Sozialen Medien sind heute nicht mehr denkbar und so machen auch die Befürworter und Gegner der Pegida-Bewegung ausgiebig von den Kommunikationsmöglichkeiten Gebrauch. Dabei zeigt sich eine neue Wendung bei der Nutzung der Informationskanäle: die gezielte Desinformation.

Mobilisierung über Soziale Netzwerke

Facebook dient der Pegida-Bewegung als wichtiges Mobilisierungsinstrument. Die Reichweite ist beachtlich: 113.306 Likes hat die Fanpage der „Patriotischen Europäer Gegen Die Islamisierung des Abendlandes“ (Stand: 07. Januar 2015, 11:00 Uhr).  Die Gegner von Pegida sind hingegen beim Liken nicht annährend so engagiert, selbst wenn man die Anhänger der beliebtesten Seiten zusammenzählt. NOPEGIDA hat 9.398 Fans vorzuweisen, die Seite Gegen Pegida bringt es auf 5.669 Likes und die Seite von Tegida – Tolerante EuropäerInnen gegen die Idiotisierung des Abendlandes steuert noch einmal 7.332 Unterstützer bei.

Informationsangebot bei Facebook

Etwas anders sieht es bei der Fanpage namens PEGIDA#watch aus, deren Betreiber sich selbst „Aufklärung und Informationen über die Aktivitäten von Neonazis, Neurechten, Querfrontlern und ihren Rattenfängern alias PEGIDA“ als Ziel gesetzt haben: 33.920 Facebookaccounts haben diese Seite abonniert. Die Initiatoren von „PEGIDA#watch“ geben sich nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen nicht zu erkennen, weil sie sich Einschüchterungsversuchen ausgesetzt sehen.

Fünfstellige Fanzahlen kann mit 14.054 Likes unter den Pro-Pegida-Seiten bei Facebook nur noch die bayerische „BAGIDA“ verzeichnen. Bei den Contra-Pegida-Seiten hat NO LEGIDA aus Leipzig mit 12.275 die meisten Fans. Die Pegida-Bewegung „LEGIDA“ in Leipzig kommt hingegen nur auf 7.120 Likes. Auch in Köln gibt es deutlich mehr Pegida-Gegner als Befürworter bei Facebook. Kögida – Kölner/innen Gegen Idiotentum, Dummheit und Ausländerhass hat 6.684 Unterstützer, die Pegida-Bewegung KöGIDA in Köln verzeichnet 1.606 Likes.

Wenige Accounts und Follower auf Twitter

Bei Twitter schnellt im Zeitraum von Demonstrationen und Gegendemonstrationen die Anzahl der Tweets zum Hashtag #Pegida explosiv in die Höhe. Grund dafür sind nicht nur die vermehrten Medienberichte an diesen Tagen, sondern auch die Livetweets von Teilnehmern der Veranstaltungen, die Fotos und Informationen posten und zur Beteiligung auffordern. Über „offizielle“ Twitteraccounts verfügen die von Facebook bekannten Bewegungen jedoch kaum. Und sie haben im Vergleich zu den Zahlen bei Facebook wenig Anhänger: Der Account @PEgIdA__ (175 Tweets) aus Dresden hat 263 Follower; @PEGIDAwatch – das Pendant zu der Seite bei Facebook – 2.932 Follower.

Aber selbst wenn die Pegida-Organisatoren twittern wollten – die einschlägigen Accountnamen wurden ihnen bereits von Usern weggeschnappt, die das originäre Anliegen von Pegida ins Lächerliche ziehen: Der Account @Pegida_  zum Beispiel hat sich die Erläuterung „Probiotische Europäer gegen das deutsche Abendland“ in die Twitterbiografie geschrieben. @Pegida_de betitelt seinen Account mit „PEGIDA Paranoid-idiotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“ und @PegidaDresden hat als Erklärung „Paranoide Einfaltspinsel gegen die Idiotisierung des Abenteuerlandes ehemals Panflötenspielende Eunuchen“ zu bieten. Der Twitterer mit dem Account @pegidaD wagt in seiner Twitterbiografie gar eine Anlehnung an Heinrich Heine: „Pegida in der Nacht – Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht – Patriotische Europäer Gegen die Inkontinenz des Abendlandes“.

Ironisierung von Pegida

Am 28 und 29. Dezember 2014 kam mit dem ersten Schnee der Wintersaison 2014/2015 #Schneegida als Parodie hinzu: „Ich habe nichts gegen Schnee, solange er sich an unser Klima anpasst und Regen ist“, so @inschka. „Wir sind nicht der Eisschrank der Welt“, twittert @textautomat). „Nach 22 Uhr kann man sich ohne Schneeschaufel bewaffnet gar nicht mehr auf die Straße wagen“ (@Haetscher) und „War ja klar, dass diese Frau Holle Kopftuch trägt…“ (@ErhardScherfer) sind nur einige Beispiele der zahlreichen Tweets unter diesem Hashtag.

Am vergangenen Sonntag schließlich griff die Lust an der Ironisierung von #PEGIDA auch unter den zahlreichen Tatort-Fans bei Twitter um sich: „Der Islam im #Tatort??? Muss gleich Bewegung gründen: PEGIDTATO (Patriotische Europäerin gegen die Islamisierung des #Tatort)“ twitterte die Journalistin Miriam Hollstein anlässlich des Wiener Tatorts Deckname Kidon, in dem die Namen der Schauspieler im Vorspann in arabischer Schrift eingeblendet wurden und es unter anderem um das iranische Atomprogramm ging. Tatsächlich tauchte kurze Zeit später ein neuer Account namens @PEGIDTATO auf – „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des #Tatort“ steht in seiner Twitterbiografie.

Gezielte Desinformation

Humorvoll geht es aber nicht ausschließlich bei Twitter zu. Bei Facebook nahm Der Postillon am Montag den von Pegida-Anhängern häufig skandierten Ausruf „Lügenpresse“ wörtlich und posteten um 12:51 Uhr einen Artikel mit der Überschrift „Nach internen Querelen: PEGIDA-Demo in Dresden abgesagt“ unter anderem auf ihrer Facebook-Seite mit über einer Million Fans. Noch glaubwürdiger wirkte die Falschnachricht dadurch, dass „Der Postillon“ wenig später auch noch eine gefakte Spiegel Online-Nachricht verbreitete, der die Absage der Abendveranstaltung zu bestätigen schien. Wie Postillon-Gründer Stefan Sichermann inzwischen klarstellte, war diese Spiegel Online-Seite nicht von seinem Team selbst gebaut, sondern den Internetsatirikern zugespielt worden. Für mehr als Verwirrung unter den PEGIDA-Anhängern sorgte dieser Scherz, der in den Sozialen Medien schnell die Runde machte, allerdings nicht. 18.000 Menschen gingen am Montagabend gegen die Islamisierung Europas in Dresden auf die Straße – laut Polizeiangaben 500 mehr als bei der letzten Veranstaltung des vergangenen Jahres am 22. Dezember 2014.

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