Look back – Digital Mastermind mit Jaron Lanier @ BASE_camp

Veröffentlicht am 10.06.2015

Über Informationen und Macht – Digital Mastermind mit Jaron Lanier @ BASE_camp

„Wie wollen wir leben?“ – um diese Frage drehte sich alles in der zweiten Ausgabe von Digital Masterminds im BASE_camp von Telefónica. Deutschland, der Plattform für renommierte Vordenker und Leader der digitalen Welt. Am 9. Juni diskutierte der Internetpionier Jaron Lanier mit Mathias Müller von Blumencron, FAZ, über die Folgen der Digitalen Revolution.

Der Bestseller-Autor und aktuelle Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels warnt eindringlich vor dem Missbrauch der riesigen Datenmengen – Big Data – auf den Servern der Internetkonzerne. In der Diskussion mit Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Digitale Medien, forderte er darüber hinaus die Demokratisierung des Internets. Dass er ein Anhänger der digitalen Revolution sei, schließe für Lanier aber Kritik nicht aus: „Optimismus will gut begründet sein, sonst ist er nichts wert“.

Information ist Macht

Laniers Hauptkritik richtet sich gegen die Geschäftsmodelle von Internetkonzernen wie Google oder Facebook. „Informationen und Macht sind ein und dasselbe“, so der Autor. Die starke Konzentration Nutzerdaten bei einigen wenigen Unternehmen lade zu Missbrauch ein und sei eine Gefahr für die Rechte des Individuums und die Demokratie. Den Kern des Problems sieht der Amerikaner dabei in der kommerziellen Nutzung von „behavioural data“ – also Daten über das Kauf- oder Nutzerverhalten von Personen – , die unter anderem hinter den Algorithmen für Kaufempfehlungen bei Amazon oder Leseempfehlungen bei Facebook steckt.

Die Empfehlungen auf Basis der Analyse des Nutzerverhaltens führen darüber hinaus das Konzept der Schwarmintelligenz ad absurdum, ist Jaron Lanier überzeugt. Die Individualität von Entscheidungen wird über die Nutzung von „behavioural data“ zu Verkaufszwecken korrumpiert und „die Schwarmintelligenz versagt, wenn die Menschen ihre Individualität verlieren“.

Auch mit den Unternehmen der Sharing Economy geht Lanier hart ins Gericht. Risiken für Nutzer und Anbieter stünden enorme Gewinne der Unternehmen gegenüber. „Die Sharing Economy hat nichts mit Teilen im eigentlichen Sinne gemein, vielmehr mit der Zentralisierung von Macht bei der Person oder Organisation im Mittelpunkt des Netzwerks.

 

Die Rolle von Unternehmen und Nachrichtendiensten

Auf die Frage aus dem Publikum beim wem die Sorge bei der Nutzung von Big Date größer sein sollte – Geheimdienste oder Unternehmen –, gibt Lanier eine klare Antwort: „Wer die Nachrichtendienste kritisiert, sollte auch Google kritisieren“. Er selbst mache sich mit Blick auf die Geheimdienste auf jeden Fall weniger Sorgen und begründet das mit den größeren finanziellen Ressourcen und den klügeren Köpfen, die man auf Seite der Unternehmen finde. Sich über die NSA zu sorgen, ist als würde man sich Sorgen darüber machen, gegen eine Fußballmannschaft zu spielen, die nicht weiß wie man rennt“, spottete Lanier. Eine ansatzweise effektive Kontrolle über das Internet, die wirklich Grund zur Sorge biete, sehe er bisher nur in China.

Auch im Hinblick auf die Unternehmen gibt Lanier noch Entwarnung. Bisher kann er nicht erkennen, dass ein systematischer Machtmissbrauch stattfinde. Der potenziellen Gefahren, die sich aus der Konzentration von Datenmengen auf den Servern einiger weniger Unternehmen ergeben, sollte man sich aber bewusst sein.

Demokratisierung des Internets ist notwendig

Im Gespräch mit Mathias Müller von Blumencron stellt Jaron Lanier dann auch seine Ideen zur Demokratisierung des Internets und der digitalen Gesellschaft in den Vordergrund. Vieles sei vorstellbar, so seine Botschaft. Skeptisch steht Lanier allerdings einer umfassenden Regulierung durch die Politik gegenüber, denn diese könne leicht mehr Probleme schaffen als lösen. Auch von Plänen, die großen Internet-Konzerne zu zerschlagen hält er wenig. Lanier favorisiert vielmehr eine marktbasierte Lösung. Unternehmen sollten einfach für die Daten ihrer Kunden bezahlen. Dadurch käme auch in der digitalen Welt wieder ein wirklicher Tausch von Werten zustande. Bisher erhielten die Nutzer von Facebook und Co. für ihre Daten ausschließlich Zugang zum jeweiligen Netzwerk, während die Daten für die Unternehmen bares Geld wert sind. „Unternehmen und Nutzer müssen wieder auf Augenhöhe zusammenkommen“, so Lanier.

Bei aller berechtigten Kritik, so Jaron Lanier, bleibe für ihn aber klar, dass die Digitalisierung für die Zukunft mehr Chancen als Risiken bereithält. „Der Optimist ist derjenige, der so stark an etwas glaubt, dass er es auch kritisieren kann“.

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