Interview mit Dr. Andrea Huber vom ANGA zur freien Endgerätewahl

Foto: ANGA
Veröffentlicht am 15.04.2015

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel lässt den Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag Taten folgen und hat einen Entwurf des Telekommunikations-Endgerätegesetzes vorgelegt, mit dem der sogenannte Routerzwang abgeschafft werden soll. Viele Netzbetreiber setzen als Netzabschlusspunkt einen Router ein, was aber nach Ansicht der Politik nicht mit EU-Vorgaben vereinbar ist. Die im Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) vorgesehene freie Wahl des Endgerätes soll für mehr Nachhaltigkeit und mehr Wettbewerb sorgen. Wir haben mit der Geschäftsführerin des ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V., Frau Dr. Andrea Huber, über den Gesetzentwurf gesprochen.

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Frau Dr. Huber, Sigmar Gabriel hat für seinen Gesetzentwurf, mit dem er den sogenannten Routerzwang abschaffen will, viel Applaus bekommen. Wie beurteilen Sie den Gesetzentwurf?

Zunächst einmal: Die Kabelnetzbetreiber befürworten die Routerfreiheit. In Kabelnetzen können Kunden bereits heute Router und sonstige Endgeräte ihrer Wahl anschließen. Den von der Politik kritisierten Routerzwang gibt es in Kabelnetzen nicht. Der Gesetzentwurf geht aber über die Gewährleistung der reinen Routerfreiheit hinaus: Der Vorschlag des BMWi setzt vielmehr einen passiven Netzabschlusspunkt voraus, an den Kunden sämtliche Geräte frei anschließen können.

Das Problem: In Kabelnetzen gibt es keinen passiven Netzabschlusspunkt. Dieser kann auch nicht durch eine gesetzliche Regelung geschaffen werden. Ein Kabelnetz endet nicht mit einer „Dose in der Wand“, sondern erst am Kabelmodem. Das beruht auf international standardisierten, technischen Gegebenheiten. Denn nur mithilfe des Kabelmodems können dem Kunden die von ihm gebuchten Dienste bereitgestellt werden. Das Kabelmodem ist also aus technischen Gründen integraler Bestandteil des Kabelnetzes. Der jetzt vom BMWi vorgelegte Vorschlag diskriminiert die Kabelnetzbetreiber gegenüber DSL-Netzbetreibern. Ein entsprechendes Gesetz würde nämlich nicht nur eine freie Routerwahl festlegen, sondern auch eine freie Wahl des Kabelmodems.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass öffentliche Telekommunikationsnetze künftig „an der Dose an der Wand“ enden sollen. – Eine gute Idee?

Das ist keine gute Idee. Kabelnetze unterscheiden sich dahingehend von DSL-Netzen, dass sie eben nicht an einer „Dose in der Wand“ enden. Vielmehr endet ein Kabelnetz mit dem Kabelmodem; dort befindet sich der Anschluss des Kunden. Das beruht auf der Struktur der Kabelnetze. Im Gegensatz zu DSL-Netzen gibt es in Kabelnetzen keine dedizierte Kundenleitung. Kabelnetze sind ein sog. „Shared Medium“, was heißt, dass sich alle Kunden in einem Netzabschnitt eine Anschlussleitung teilen. In DSL-Netzen hingegen hat jeder Kunde eine eigene Leitung, die von seinem Haus oder seiner Wohnung bis zum Verteilerpunkt reicht (sog. Teilnehmeranschlussleitung).

Welche technischen Herausforderungen ergeben sich für Kabelnetzbetreiber durch die Vorgaben in dem Gesetzentwurf?

Der Gesetzentwurf regelt für Kabelnetze de facto einen unmöglichen Fall: Er schreibt vor, dass der Netzabschlusspunkt passiv sein soll. An anderer Stelle legt das Telekommunikationsgesetz allerdings schon heute fest, dass Netzabschlusspunkte adressierbar sein müssen. Das eine schließt das andere in Kabelnetzen aus. Adressierbar wird der Anschluss im Kabelnetz nämlich erst mit dem Kabelmodem.Das Kabelmodem übernimmt die Aufgabe, aus dem Datenstrom, der bei allen Kunden in einem Netzsegment gleichermaßen anliegt, die für den betreffenden Kunden bestimmten Daten herauszufiltern. Um das gewährleisten zu können, muss das Kabelmodem reibungslos mit dem Kabelnetz kommunizieren können. Das setzt voraus, dass der Kabelnetzbetreiber die Kontrolle über das Modem hat und es entsprechend konfigurieren kann. Kabelnetzbetreiber wenden viel Zeit und Mühe auf, die Kompatibilität jedes einzelnen von ihnen eingesetzten Kabelmodems mit ihrem Netz sicherzustellen. Auch kundeneigene Kabelmodems müssten diese Kompatibilitätsanforderungen erfüllen.

Verbraucherschutzverbände begrüßen, dass Internetkunden zukünftig den Router für Ihren Internetzugang frei wählen können. Welche Nachteile sehen Sie auf die Kunden zukommen?

Noch einmal: Gegen eine freie Routerwahl ist aus Sicht der Kabelbranche nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Problematisch wäre es aber, wenn auch das Kabelmodem unter die neue Freiheit fallen würde.Kunden könnten dann zwar wahrscheinlich Modems im Einzelhandel kaufen. Die Anzahl solcher Geräte dürfte allerdings gering sein. Der erforderliche Zertifizierungsprozess für die Geräte wäre teuer und langwierig. Auch müsste er regelmäßig wiederholt werden, damit Modems bei Umstellungen im Kabelnetz noch einwandfrei funktionieren. Es ist also zu erwarten, dass nur eine geringe Anzahl von Modems überhaupt zertifiziert würde. Das gilt umso mehr, je kleiner ein Kabelnetz ist. Denn hier steigt wegen der geringeren Stückzahlen der Preis pro zertifiziertem Gerät. Kunden kleinerer Kabelnetzbetreiber hätten damit das Nachsehen. Schließlich könnten Verbraucher ein selbst gekauftes Kabelmodem möglicherweise nach einem Umzug gar nicht mehr verwenden, weil es mit dem Netz des neuen Kabelnetzbetreibers nicht kompatibel ist.

Wenn ein Gerät nicht mit dem Netz kompatibel ist, können auftretende Störungen nicht nur den Kunden betreffen, der das Gerät verwendet. Auf Grund der „Shared Medium“-Struktur wären potenziell alle im betreffenden Netzabschnitt angeschlossenen Kunden betroffen – mit den entsprechenden Konsequenzen für eine Haftung des Störers. Kabelnetzbetreiber könnten keinen Support für kundeneigene Modems übernehmen. Kunden müssten sich also an den Gerätehersteller halten. Der Gewinn für den Kunden bei einer freien Modemwahl stünde deshalb in keinem ausgewogenen Verhältnis zu den potenziellen Problemen und zu den Kosten einer Zertifizierung.

Das parlamentarische Verfahren eröffnet die Gelegenheit, den vorgelegten Gesetzentwurf noch zu verändern. Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Wir plädieren dafür, bei der Festlegung des Netzabschlusspunkts die technischen Besonderheiten einzelner Netztechnologien zu berücksichtigen. Kabelnetze unterscheiden sich von DSL-Netzen. Und das ist auch gut so: Die Kabelnetzbetreiber tragen mit ihrer Technologie den Löwenanteil dazu bei, dass die Breitbandziele der Bundesregierung erreicht werden. Sie wollen auch weiterhin investieren und ihre Netze noch schneller und besser machen. Das geht aber nur, wenn sie nicht ständig mit neuen Belastungen seitens der Politik konfrontiert werden. Der Vorschlag des BMWi zur Routerfreiheit schießt weit über das Ziel hinaus – Routerfreiheit lässt sich auch mit anderen Mitteln erreichen.

Mit geringen Änderungen am jetzigen Gesetzentwurf könnte das Ziel der Routerfreiheit erreicht und gleichzeitig den Unterschieden in der Netztechnologie Rechnung getragen werden.

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