Internetkommission auf Weltwirtschaftsforum gegründet

Veröffentlicht am 29.01.2014

In Davos in der Schweiz fand vom 22. bis 25. Januar 2014 die jährliche Konferenz des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum, WEF) statt. Die unabhängige internationale Organisation wurde 1971 gegründet und bietet seitdem eine Austauschplattform für Vertreter von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Zwei unabhängige Think Tanks, The Centre for International Governance Innovation (CIGI) und Chatham House, haben im Rahmen des diesjährigen Weltwirtschaftsforums eine Kommission geschaffen: „The Global Commission on Internet Governance“ ist als Projekt auf zwei Jahre angelegt und soll unabhängige Forschung zum Thema Internet Governance durchführen und unterstützen.

Daraus sollen zudem konkrete politische Empfehlungen für die künftige Steuerung und Regulierung des Internets entwickelt werden. Ferner will die Kommission Aufklärung in der breiten Öffentlichkeit über die Förderung von Internetzugängen sowie über die Prinzipien der freien Meinungsäußerung und des freien Ideenflusses im Netz leisten. Den Vorsitz des Gremiums wird Carl Bildt übernehmen, derzeitiger Außenminister und ehemaliger Premierminister von Schweden.

Eine Kommission zur Rettung des freien Netzes

Das freie und offene Internet sei in Gefahr, begründen die Beteiligten die Gründung der Kommission. Einerseits gehe die Gefahr von einer Reihe autoritärer Staaten aus, die eine stärkere staatliche Kontrolle des Netzes anstreben. Zum anderen hätten die Enthüllungen über die Überwachungsmaßnahmen viel Vertrauen gekostet, argumentieren die Gründer. Daher seien neue und innovative Ideen für die internationalen Verhandlungen und Diskussionen notwendig, die nun die Kommission leisten soll. Dafür will das Gremium eine Vielzahl an beratenden Gesprächen mit interessierten und beteiligten Akteuren führen, darunter u.a. die allgemeine Öffentlichkeit, Internetdiensteanbieter, Netzbetreiber, multinationale Unternehmen und Zivilrechtsorganisationen.

Als konkrete Ziele identifiziert die Kommission vier Kernthemen: Sie will die Legitimität der Internet Governance-Struktur stärken, einschließlich regulatorischer Ansätze und Standards, und Innovation bewahren, insbesondere hinsichtlich kritischer Netzressourcen sowie Infrastruktur- und Wettbewerbspolitik. Weiterhin will das neue Gremium sich um die Rechte im Netz kümmern, wobei die Prinzipien der technologischen Neutralität, Privatheit und freier Meinungsäußerung etabliert werden sollen. Schließlich sollen auch systemische Risiken vermieden werden, etwa Kooperationen von Internetkriminalität, sowie Normen für staatliches Verhalten etabliert werden. Die Kommission wird ihre Arbeit offiziell im Mai 2014 beginnen.

Mehr Kooperationen, mehr Kapazitäten

Bereits im Vorfeld der Konferenz hatten die WEF-Organisatoren gemeinsam mit einem Beratungsunternehmen eine Studie mit dem Titel „Risk and Responsibility in a Hyperconnected World“ herausgegeben. Darin untersuchen die Autoren die notwendigen Handlungsfelder, um Cyberattacken effektiv abzuwehren. Außerdem wurden für die Studie auch die Risiken und die Reaktionsfähigkeiten der Akteure analysiert. Als Ergebnis identifizieren die Autoren unter anderem, dass mehr Zusammenarbeit von Technologieanbietern, Nutzern sowie gesetzgebenden Institutionen für eine breite Widerstandsfähigkeit gegen Cyberangriffe vonnöten sei. Ferner stellten die Experten fest, dass eine große Mehrheit der Firmen keine ausreichenden Managementkapazitäten zur Cyberabwehr zur Verfügung hat und vielen zudem das entsprechende Hintergrundwissen fehle.

In der Studie warnen die Autoren zudem davor, dass die derzeitigen Trends in einem „backlash against digitization, with huge economic impact“ resultieren könnten. Bereiche wie Cloud Computing, Big Data und Analytics könnten für die weltweite Wirtschaft einen Wert zwischen 10 und 20 Billionen US Dollar haben, schätzt die Studie. Cyberattacken, neue gesetzliche Regelungen und Unternehmenspolitik könnten Innovation verlangsamen, befürchten die Experten.

Das Netz ist ein Regulierungsdschungel

Bislang ist eine Reihe internationaler Akteure an der Regulierung der Telekommunikation und somit auch des Internets beteiligt. Im Rahmen der letzten Weltkonferenz (World Conference on International Telecommunication, WCIT) der International Telecommunication Union (ITU) Anfang Dezember 2012 in Dubai wurden neue Telekommunikationsregeln verabschiedet, indem 89 der 193 Mitgliedsstaaten einen völkerrechtlich bindenden Vertrag unterzeichneten. Neben der ITU hat auch die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) eine regulierende Funktion, obwohl sie keine staatliche Organisation ist, sondern seit 1998 als privatrechtlich organisierte gemeinnützige Gesellschaft mit Hauptsitz in Kalifornien agiert. Ihre Zuständigkeiten umfassen u.a. die Verwaltung und Überwachung des Domain Namen-Systems, die Verteilung von IP-Adressen sowie die Entwicklung neuer und allgemeiner Standards und Protokolle für das Internet. Daneben sind auch die Welthandelsorganisation (WTO), die World Intellectual Property Organisation (WIPO) sowie die UNESCO in Teilbereichen der Informationstechnologien beschäftigt und bieten daher entsprechende Anlaufpunkte.

Stimmen zu dem Thema:

Global Commission on Internet Governance

The Global Commission’s goal is two-fold. First, it will encourage globally inclusive public discussions on the future of Internet governance. It will do this through public outreach activities, including accessible research as well as public consultation. Second, through its comprehensive policy-oriented report, and the subsequent promotion of this report, the Commission will communicate its findings with senior stakeholders at key Internet governance events, including, for example, the World Summit on the Information Society (WSIS)+10 review process, the Global Multistakeholder Meeting on the Future of Internet Governance in spring 2014, and the International Telecommunication Union (ITU) Plenipotentiary Meeting in fall 2014.

(Commission, Januar 2014)

World Economic Forum

Discussions of cyber risks tend to focus on doomsday scenarios or a feared “cybergeddon”. However, an equivalent concern perhaps should be the lost opportunities from a significant backlash or fragmentation of the current digital ecosystem. A backlash could result from a single major event, or through gradual erosion. Governments, businesses or individuals could cause it. Fragmentation could occur intentionally, as loss of trust leads to explicitly isolationist policies. Or it could occur semi-intentionally, as governments adopt increasingly protectionist stances on digitally enabled services. Or it could occur unintentionally, as uncoordinated policy developments in different jurisdictions result in a disparate set of requirements to operate globally.

(WEF-Studie, Januar 2014)

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital und ist Teil der aktuellen Ausgabe zur Netzpolitik. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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