Brain-to-Vehicle: Nissan zapft Hirnströme von Autofahrern an

Veröffentlicht am 01.02.2018

Foto: Nissan Deutschland Presseportal
Autonomes Fahren wird die Automobilindustrie grundlegend verändern. Darüber waren sich schon die Redner beim 25. Mobilisten-Talk im Telefónica BASECAMP einig. Doch auf dem Weg zum intelligenten Fahrzeug möchte Nissan nun einen ungewöhnlichen Zwischenschritt gehen. Oder ist es eine echte Alternative? Der Autohersteller aus Japan zapft die Ströme des menschlichen Gehirns an und nennt seine neue Technik Brain-to-Vehicle (B2V) .

Das Ziel ist eine Symbiose aus menschlicher und Künstlicher Intelligenz (KI). Der Wagen liest die Gedanken des Fahrers, um notwendige Fahrmanöver blitzschnell einzuleiten. Zum Beispiel: Ein Kind rennt auf die Straße und der Fahrer will sofort bremsen. Davon soll das Auto schon wissen, bevor der Fahrer überhaupt aufs Pedal tritt. Das Ergebnis: Die Hirn-Auto-Verbindung leitet den Bremsvorgang um Zehntelsekunden früher ein und kann damit Leben retten. Egal ob Bremsen, Lenken oder Beschleunigen: Nissan verspricht eine Verkürzung der Reaktionszeit um 0,2 bis 0,5 Sekunden.

Mensch und Maschine: Die Angst vor dem Kontrollverlust

Die Maschine setzt den Plan des Fahrers schneller in die Tat um, als es der menschliche Körper kann. Was bisher noch an Science-Fiction-Storys wie bei Matrix erinnert, soll schon bald durch eine Vorrichtung auf dem Kopf des Fahrers ermöglicht werden. Die bunte Kappe misst die Gehirnaktivitäten des Menschen hinter dem Steuer und leitet sie an eine KI weiter. Die intelligente Software soll daraus erkennen, welche Aktion geplant ist, und schnell reagieren. Das Fahrzeug fährt nicht autonom, sondern der Mensch entscheidet und wird von der Technik unterstützt.

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Foto: Nissan Deutschland Presseportal

Wenn die meisten Leute an autonomes Fahren denken, dann haben sie eine sehr unpersönliche Vorstellung von der Zukunft, in der Menschen die Kontrolle an Maschinen abgeben“, sagt Nissans Executive Vice President Daniele Schillaci. „Die B2V-Technologie macht aber das Gegenteil. Signale des menschlichen Gehirns werden genutzt, um das Autofahren aufregender und angenehmer zu machen.“ Bei B2V behält der Mensch also die Oberhand. Dieser Einsatz von künstlicher Intelligenz dürfte manchen Skeptikern mehr gefallen als das vollkommen autonome Fahren.

Zum Wohle des Fahrers: Wie weit denkt KI mit?

Doch B2V dürfte kaum mehr als eine Zwischenetappe bleiben. Auch Nissan treibt seine Forschungen für autonomes Fahren voran und hat schon die nächsten Pläne in der Schublade: Sobald Autos ohne menschliches Zutun rollen, könnte die „Gehirn-an-Fahrzeug“-Technik das Wohlbefinden der Insassen messen, analysieren und durch Anpassungen beeinflussen. Doch was passiert eigentlich, wenn der Mensch sich für etwas Schlechtes entscheidet? Unterstützt die B2V-Technologie nur gute Aktionen? Oder wird sie auch die Reaktionszeit verkürzen, wenn ein wütender Fahrer ein anderes Auto rammen will? Diese Fragen sind noch offen.

Und die erste Kritik an B2V führt auch ganz praktische Gründe an: „Alles, was das Tragen von Sensoren verlangt, würde als störend betrachtet werden“, sagt Dr. Jim Sayer von der Universität von Michigan. Der Leiter des Instituts für Verkehrsforschung spricht außerdem die Privatsphäre an. „Ich denke, einige Fahrer würden sich fragen, welche weiteren Gedanken überwacht würden. Von daher bin ich mir nicht so sicher, wie praktikabel diese Technik wirklich ist.“ Die ersten Autofahrer konnten die Brain-to-Vehicle-Technik zumindest schon testen: in einem Fahrsimulator auf der CES 2018. Wann sie aber serienreif sein wird, das ist noch unbekannt. „Wir peilen eine praktische Anwendung in fünf bis zehn Jahren an“, sagt der Nissan-Sprecher Nicholas Maxfield .

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