Big Data statt Krake Paul

Veröffentlicht am 27.06.2016

Der „deutsche“ Krake Paul aus dem Sea Life Center in Oberhausen machte mit seinen hervorragenden Vorhersagen bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 weltweit Schlagzeilen. Auch den Sieg der spanischen Nationalmannschaft im Finale gegen die Niederlande sagte der achtbeinige Aquariumsbewohner zutreffend vorher – und wurde dafür prompt zum „Ehrenbürger“ Spaniens ernannt. Weil Krake Paul ein regelrechter Publikumsmagnet war, sind Tierorakel auch bei der diesjährigen Europameisterschaft nicht wegzudenken. Wer sich allerdings nicht auf tierische Kick-Tipps verlassen will, kann bei diesem Turnier stattdessen auf Big-Data-Analysen setzen.

Big Data im Fußball

Wichtige Unterstützung bei der Vorbereitung von Turnieren wie der Europameisterschaft bekommt Bundestrainer Joachim Löw vom baden-württembergischen Softwareriesen SAP und dem Fraunhofer ISS. Dass Datensammeln sich lohnen kann, hat schon die Fußball-WM 2014 in Brasilien gezeigt: Im Vorfeld des Turniers hatten die SAP-Datenanalysten 7000 Spiele der gegnerischen Teams untersucht und damit zum Triumph der „Mannschaft“ beigetragen. In jedem einzelnen Fußballspiel fallen riesige Datenmengen an: Jeder Ballkontakt, Laufweg, Sprint, (Fehl-)Pass und jedes Foul können mit moderner Sensor-Technik erfasst und in Echtzeit ausgewertet werden. Auch Bundesligavereine wie Bayern München oder die TSG Hoffenheim arbeiten mit solcher Technik. Dabei geht es nicht nur um einfache Statistiken, die seit je her im Fußball gesammelt und zur Spielanalyse herangezogen werden, sondern um echte Optimierung des Gruppenspiels und der individuellen Performance der Spieler. Die Totalvermessung der Spieler beim Training und während der Spiele ist der Preis dieser Innovation.

Wer wird laut Big Data Europameister?

Big-Data-Analysen sind allerdings nicht nur für Trainer interessant – auch Laien und Fans sollten für das EM-Tippspiel unbedingt einen Blick auf die technologiegestützten Analysen werfen. Die Finanzexperten von Goldman Sachs sehen Gastgeber Frankreich und Spanien im Finale. Mit 23-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird Frankreich ihren Berechnungen zufolge den Pokal holen. Den Prognosen liegen historische Daten von 4.719 Spielen, gewichtet nach verschiedenen Parametern, zugrunde. Auch die Berater von Deloitte vermelden „Bauchgefühl war gestern“ und bieten in Zusammenarbeit mit Handelsblatt Online ein Vorhersagetool, das auf einer „Vielzahl von Datenquellen und der Anwendung statistischer Modelle“ beruht. Bisnode, ein großer europäischer Anbieter für digitale Wirtschaftsinformationen, sieht einen Sieg Spaniens vorher, hat allerdings nur die Daten aus den Qualifikationsspielen untersucht.
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Krake Paul 2.0

Das deutsche Start-Up Juptr setzt für sein Vorhersagetool mit Arbeitstitel „Krake Paul 2.0“ auf ganz andere Daten. Eine sogenannte Media- und Internet-Sentimentanalyse hat ergeben, dass Frankreich und Deutschland im Finale gegeneinander antreten werden und das Gastgeberland den Pokal holt. Dazu wurden verschiedene Wettplattformen ausgewertet und mithilfe einer Simulation der Vorrunden- und Hauptrundenspiele eine Gesamtwahrscheinlichkeit für den Ausgang der EM errechnet. Auch die Erwähnungen von einzelnen Mannschaften in den Medien war Bestandteil der Analyse. „Ganz im Sinne eines aktiven Tierschutzes haben wir ein Tool entwickelt, das auf Grundlage einer Quellenanalyse Siegwahrscheinlichkeiten für die 24 Teams abgibt – ohne dass ein Tier dafür orakeln muss“, erklärt Jan Steinbach von Juptr. Aber nicht nur wer statt Big Data weiterhin lieber ein Tierorakel zu Rate zieht, darf nach wie vor auf einen deutschen Final-Sieg hoffen.

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