Auf der Suche nach den Nerd-Staaten

Veröffentlicht am 31.10.2013

Welchen Status „Digitales“ im neu gewählten Bundestag haben soll, ist derzeit alles andere als Konsens unter den Abgeordneten. Als Querschnittsthema fällt eine Zuordnung schwer und auch über die Bedeutung des Themas scheint es durchaus noch unterschiedliche Auffassungen zu geben – ändere Länder und auch die EU haben auf die Frage schon Antworten gefunden.

DG Connect – Vorreiter Brüssel

Auf EU-Ebene übernimmt die Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien oder DG Connect die Koordination der Themen. Die Niederländerin Neelie Kroes hat sich während ihrer Amtszeit mit ihren oft kontrovers diskutierten Statements einen Namen gemacht und treibt die „digitale Agenda für Europa“ zielstrebig voran. Sie will in Europa einen einheitlichen digitalen Wirtschaftsraum schaffen, der den EU-Bürgern den grenzüberschreitenden Einkauf und Handel erleichtert und Breitband-Internet als Selbstverständlichkeit etabliert.

Weitere Themen die bei der DG Connect zusammenlaufen sind Interoperabilität und Normung, Stärkung von Vertrauen und Sicherheit, schneller und ultraschneller Internetzugang, Forschung und Innovation und die Verbesserung der digitalen Kompetenzen, Qualifikationen und Integration. Natürlich wirkt dieses Engagement auch auf die Mitgliedsstaaten, die beim Thema „Digitalisierung“ mit ganz unterschiedlichem Tempo voran gehen.

 

Unterabteilung „telecommunications and online“

In Großbritannien gibt es keinen Internet-Minister. Dort liegt die Kompetenz für Digitales im Department for Culture, Media & Sport, das von der konservativen Maria Miller geleitet wird. Der Bereich „telecommunications and online“ ist dabei einer von 12 Teilbereichen des Ministeriums. In ihrer bisher einjährigen Amtszeit hat Miller allerdings unter dem Stichwort „Digital Britain“ einen Schwerpunkt auf den Ausbau von 4G-Netzen in Großbritannien gelegt.

France Numérique 2012

In Frankreich ist das Thema Digitales im Ministère du Redressement Productif, also im Industrieministerium angesiedelt. Verantwortlich ist die Beigeordnete Ministerin der Parti Socialiste, Fleur Pellerin. Unter ihrer Führung wird die von Sarkozys Industrieminister Eric Besson entworfene Strategie „France Numérique 2012“ massiv vorangetrieben und ausgebaut. Pellerin hat einen hohen Stellenwert in der französischen Gesellschaft und starke Medienpräsenz, da man sich erhofft, Frankreich durch die Digitalisierung aus der Krise zu führen.

„France Numérique 2012“ wurde mittlerweile um Ziele bis 2020 erweitert. Das oberste Ziel ist es Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit durch die Digitalisierung zu verbessern. Unter den 56 weiteren Punkten sind Ziele wie Netzzugriff für alle Franzosen, privacy by design und die Unterstützung von Startups im Bereich Internet.

Innovation, Energie und Kommunikation

In Schweden teilt sich der Bereich Digitales die Aufmerksamkeit mit dem Energieministerium im Näringsdepartementet, dem Ministerium für Innovation, Energie und Kommunikation. Anna-Karin Hatt ist als eine der drei Ministerinnen des Ministeriums für die Themen Informationstechnologie und Energie zuständig. Ihr Hauptziel ist es Schweden zu einer „führenden IT-Nation zu machen, wo Technologie den Menschen dient.“

Innovativ in Schweden ist Hatts Gruppierung der Themen Energiewende, Klimaschutz und Digitalisierung in ihrer „digital agenda för Sverige“. In ihrem Policy Paper „ICT für alle“ werden die Ziele für die Digitalisierung aufgelistet. Hauptziele sind die Digitalisierung einfach und sicher voranzutreiben, um der Gesellschaft zu nutzen, die Infrastruktur auszubauen und Innovationen im Bereich zu fördern.

E-stonia

In Estland – im Volksmund auch oft „E-stonia“ wegen seiner Internetaffinität genannt – ist der Bereich Digitales im Ministerium für Wirtschaft und Kommunikation, dem majandus- ja kommunikatsiooniministeerium unter Leitung von Juhan Parts untergebracht.

Neben einer digitalen Agenda, die sich mit gängigen Themen digitaler Binnenmarkt, Vertrauen und Sicherheit im Netz, schnelles Internet für alle Esten und Förderung von Forschung und Innovation befasst, gibt es viele nationale Initiativen, die das Leben der estnischen Bürger durch das Internet einfacher machen. So gibt es zum Beispiel eine Initiative der Regierung, die auf Online-Justiz setzt. Der baltische Staat lädt gemäß eines neuen Gesetzes Angeklagte und Zeugen über soziale Netzwerke vor. Da in Estland keine Meldepflicht herrscht, können so die Kosten für die Adressrecherchen minimiert werden. Laut einer Studie des Ministeriums erledigen Behörden ihre Aufgaben online bis zu zwölf Mal schneller als analog. In Estland werden online Lösungen, also e-solutions, von der Regierung gefördert und ausgezeichnet.

An die herausgehobene Stellung der GD Connect auf Europäischer Ebene reicht aber auch das estnische Modell nicht heran.

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