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Veröffentlicht am 10.02.2014

Die Richtung der Kurve ist unverkennbar – sie führt nach unten. Die Graphik zur Mitgliederentwicklung von CDU und SPD seit 1990 belegt den Mitgliederschwund, über den die großen politischen Parteien in Deutschland immer wieder leise klagen. Auch die kleinen Parteien haben in den letzten Jahren ihre Mitglieder davon ziehen sehen – mit Ausnahme der Grünen und der Piraten, die in dieser Hinsicht Zuwächse verbuchen konnten. Die Herausforderung für die Parteien lautet also nicht nur, neue Interessierte für sich zu gewinnen, sondern auch ihre bestehenden Engagierten stärker an die Gemeinschaft zu binden.

SPD setzt auf digitale Gesamtstrategie

Auf der Klausurtagung der SPD in Potsdam stellte Parteichef Sigmar Gabriel in seiner Rede fest, dass in den letzten Monaten 20.000 neue Mitglieder in die SPD eingetreten waren, von denen die Hälfte jünger als 35 Jahre sei. Diese Entwicklung nahm der Vizekanzler zum Anlass, eine digitale Strategie für seine Partei anzukündigen, welche die SPD in den nächsten Monaten zu einer modernen Netzpartei umgestalten soll. Dadurch, so seine Vorstellung, sollten vor allem die jüngeren Mitglieder besser integriert und natürlich auch jüngere Wähler angesprochen werden. Teil der noch zu erarbeitenden Strategie sollen beispielsweise digitale Mitgliederentscheide sein sowie eine stärkere Nutzung des Internets bei Kampagnen. Allen neuen Kommunikationsformen müsse die Partei offen gegenüberstehen, so der Plan. In welcher Weise eine digitale Strategie die Mitglieder einbinden soll und ob diese dadurch mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten, ging aus Gabriels Rede noch nicht hervor.

Grüne scheitern mit offener Wahl

Währenddessen durchlitten die europäischen Grünen Ende Januar ein großes Fiasko mit ihrer Idee, durch eine Urwahl die Spitzenkandidaten für die Wahl zum EU-Parlament zu bestimmen. Offen für alle EU-Bürger über 16 Jahre sollte diese Urwahl ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Mitmach-Partei werden – doch die Beteiligung war mit insgesamt rund 22.000 Stimmen so gering, dass man die Prozentzahl hinter dem Komma schon suchen muss. Der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, war der Initiator dieser „Green Primary“ und hatte mit seiner Begeisterung für das Projekt große Erwartungen an die Beteiligungsmöglichkeiten für politisch interessierte Bürger geweckt. Immerhin, die Aktion einer offenen, europaweiten Online-Wahl ist einmalig in der Geschichte. Mit diesem „Experiment digitaler Demokratie“ starten die Grünen dennoch vermutlich mit gemischten Gefühlen in die Europawahl, die im Mai ansteht.

CDU ließ Regierungsprogramm mitgestalten

Welche Maßnahmen die Union zur Mitgliederbindung ergreift und wie viel Digitales dahingehend entwickelt wird, ist weniger klar. Jedenfalls fehlt bisher ein großes Projekt zur Teilhabe. Eine Mitmach-Aktion gab es zumindest letztes Jahr. Vor der Bundestagswahl hatte die CDU auf einer Internetseite mehrere Themenfelder mit ihren formulierten Zielen veröffentlicht, die von Interessierten kommentiert werden konnten. Unter dem Motto „Was mir am Herzen liegt“ sollte auf diese Art das Regierungsprogramm mitgestaltet werden. In einer zweiten Runde konnten dann die CDU-Mitglieder auf ihrer internen Plattform CDUplus über 45 Thesen in diversen Politikfeldern diskutieren und darüber abstimmen. Es wurden allerdings keine Zahlen über die Beteiligung an der Aktion veröffentlicht.

Die FDP agiert außerparlamentarisch

Eine größere Nähe zu digitalen Themen zu schaffen liegt bei den Parteien derzeit im Trend. Seit der Gründung am 18. Januar 2014 gibt es mit dem netzpolitischen Verein LOAD nun auch ein FDP-affines Netzwerk. „Verein für liberale Netzpolitik“ nennt sich die Gemeinschaft. Laut Gründungserklärung ist LOAD der Zusammenschluss von Menschen, die sich gemeinsam für den Schutz der Freiheit des Internets einsetzen wollen. Er ist nach eigenen Angaben grundsätzlich offen für alle interessierten Bürger. Da für die Gründung jedoch der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz verantwortlich ist, dürfte der Verein eher auf FDP-Anhänger ausgerichtet sein. Immerhin ist mit dem Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag auch der kleine Kreis der organisierten Netzpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion zum Stillstand gekommen. Aus dem außerparlamentarischen Off zu kommunizieren ist eine schwere Aufgabe, doch das Netz könnte in dieser Situation der richtige Kanal dafür sein.

Die künftige Herausforderung für die Parteien wird es sein, die Online-Teilhabe zu institutionalisieren und dafür das Netz als Möglichkeit zur Mitsprache und Willensbildung einzusetzen. Einerseits müssen die Mitglieder das Gefühl bekommen, dass die Basis bei der politischen Gestaltung berücksichtigt wird, während andererseits auch die Wähler auf die Wahlprogramme Einfluss nehmen wollen. Schließlich wird man meist deshalb Parteimitglied, weil man etwas verändern möchte. Ob die Mitgliederzahlen der Parteien künftig steigen oder wenigstens konstant bleiben, wird allerdings nicht nur von der digitalen Strategie des Vorstands abhängig sein.

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