Snapchat, Instagram & Co.: Die Rolle des Bildes in der digitalen Kommunikation

Foto: Shutterstock/Mila Supinskaya
Veröffentlicht am 18.04.2016

Foto: Shutterstock/Mila Supinskaya. 

Ob Snapchat, Facebook oder Instagram – nie war die Auswahl an Kommunikationsmitteln so vielfältig wie jetzt. Egal, für welche Plattform wir uns entscheiden, sie alle haben etwas gemeinsam: Wir teilen über sie unsere Stimmungen und Meinungen und nutzen dafür Bilder. Aber woher rührt dieser Boom der Bilder?! Warum sagt ein Bild mittlerweile mehr als 1000 Worte? Haben wir uns nichts mehr zu sagen? Fehlen uns die Worte oder können wir uns mit Bildern besser ausdrücken? Bilder sind allerdings manipulierbar – zeigen wir in den SOM-Kanälen unser wahres ICH oder so, wie wir gerne gesehen werden wollen? Frei nach dem Motto: Ein Leben ohne Fotofilter ist zwar ehrlicher, macht aber keinen Sinn. Was macht das mit uns und mit unserer Wahrnehmung und wie verändert die Macht der Bilder unsere digitale Kommunikation?

Die Moderatorin und Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi diskutiert am 26. April 2016 ab 18:30 Uhr im Telefónica BASECAMP mit unseren Podiumsgästen über das Potential und die Rolle des Bildes in der digitalen Welt. Auf dem Podium erwarten wir Paul Ronzheimer (BILD-Chefreporter), Daniel Fiene (Journalist, Snapchatter und Blogger), Prof. Dr. Gerald Lembke (Digitalexperte und Buchautor) sowie die Journalistin und Autorin Laura Ewert. Wir haben unseren Experten im Vorfeld ein paar interessante Statements entlocken können, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.

Informationen werden immer schneller verarbeitet (bei Snapchat sind es 10sec) – erleben wir den Beginn einer neuen Nachrichten-Ära?

Daniel Fiene: Snapchat prägt gerade das Sehverhalten einer ganzen Generation. Ich habe mich schon ertappt, dass ich ein Youtube-Video fürchterlich langweilig finde, weil ich nicht auf das Video klicken kann, um zur nächsten Szene zukommen. Das wird die Challenge für Medien & Marken sein: Storytelling bekommt eine ganz neue Geschwindigkeit. Die führt zwar dazu, dass man länger und tiefer in eine Geschichte eintaucht, aber normaler Text, normales Video, normales Audio wirken nach einer halben Stunde Snapchat total langweilig.

Prof. Dr. Gerald Lembke: Der Kampf um die Aufmerksamkeit ist in vollem Gange. Die Fähigkeit der Reflexion wird durch die Masse, der Allways-On-Verfügbarkeit und einer oberflächlichen Wahrnehmung verdrängt. Die Entwicklungen der letzten 25 Jahre in den Nachrichten – die Visualisierung von Inhalten – wird daher weiter zunehmen und das kritische Hinterfragen in der breiten Gesellschaftsmasse weiter abnehmen. Nein, keine neue Ära, sondern die Nachrichtenverarbeitung von Nachrichtenkonsumenten wird sich in den nächsten Jahren weiter verändern in Richtung Adhoc-Konsum ohne Reflexion. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Die traditionelle Komplementarität „Bild plus Wort = Nachricht“ wird sich verändern zu „Bild oder Video = Nachricht“. Hier zugleich an Manipulationen zu denken, trifft den Kern nicht. Dennoch sind die Potentiale natürlich vorhanden. Denn Bilder bedürfen keines linguistischen Wortschaftes. Sie wirken international über alle Kulturen hinweg. Nachrichten werden daher nie wieder nur ein nationales Kulturgut bleiben, sondern zunehmend ein internationales Kulturgut werden. Ob und inwieweit hier Manipulationen stattfinden, lässt sich in der Kommunikation von terroristischen Aktivitäten weltweit aktuell beobachten. Wenige Bilder genügen für die weltweite Wahrnehmung und Meinungsbildung – ohne Text. Und daher ist das Potential der gezielten Beeinflussung mit wenigen Medieninhalten in Form von Bildern und Videos nach wie vor vorhanden.

Laura Ewert: Wir sind ja längst mittendrin…

Warum ist das Bild das stärkste digitale Kommunikationsmittel unserer Zeit? Mit Snapchat, Instagram & Co. ein regelrechter Boom der Bilder – haben wir uns nichts mehr zu sagen?

Daniel Fiene: Früher haben wir zwar ständig – aber mit wenigen Leuten – sehr intensiv stundenlang telefoniert, irgendwann kam die SMS und dann der Messenger — wir verbringen bestimmt ähnlich viel Zeit mit dem Tippen der Kurznachrichten, bleiben aber mit viel mehr Menschen über einen längeren Zeitraum in Kontakt. Beim Faktor Bild gibt es zwei Bewegungen. Wer mit analogen Fotos groß geworden ist, nutzt Bilder noch zur Archivierung von Erinnerung -> Siehe Instagram. Die jüngere Generation kennt kein Speicherplatzlimit für Fotos. Diese Flüchtigkeit führt dazu, dass Fotos eine ganz andere Funktion haben. Sie sind Kommunikation. So flüchtig wie das gesprochene Wort -> Siehe Snapchat. Fotos in der Kommunikation geben uns eine Tiefe zurück, die wir mit der SMS verloren haben.

Jugendliche

Laura Ewert: Es ist schnell, es hat mehrere Ebenen, die wir in Verbindung mit Text sogar noch vermehren können. Die Macht der Bilder ist nichts Neues, denken wir an Hiroshima, an 9/11 kommen uns als erstes berühmte Fotografien in den Sinn. In Verbindung mit dem Netz ist die Verbreitung von Bildern aber nicht nur einfacher geworden, das Netz fordert es gerade zu. Neu ist die Kommerzialisierung von vermeintlich Privatem. Mit den Bildern wollen wir ja sehr viel sagen. Vielleicht haben wir uns viel zu sagen, aber zu wenig, worüber wir sprechen wollen?

Wie verändern Bilder unsere digitale Kommunikation?

Laura Ewert: Sie wird vermeintlich privater, entfernt sich allerdings von dem Privaten (Emotionen, vor allem negative sind ja eher nicht erwünscht, bekommen wenig likes etc). Andere Nachrichten und Informationen werden vermittelt, verbreiten sich anders.

Prof. Dr. Gerald Lembke: Es entwickelt sich eine Quantität an Bildern, die der Einzelne kaum noch verarbeiten kann. Masse statt Klasse ist das Prinzip der Bilderflut in Fotoclubs und Internetservern. Oberflächlichkeit droht vor fokussierter Interpretation eines Bildes. Durch die digitalen Möglichkeiten sucht der Mensch immer mehr DAS Bild mit DER Sensation, das einfach und schnell verstanden und interpretiert wird. Hier sehe ich tatsächlich kritisch auf das Phänomen Bild – neben dem Vorteil der freien Zugänglichkeit von Bildmaterialien. Der Mensch ist in seiner Wahrnehmung grundsätzlich beschränkt. Daher fällt es ihm schwer, in der Masse der Bilder das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. […]

Daniel Fiene: […]Grundsätzlich reichern Bilder unsere Kommunikation an. Nehmen wir EMOJI und animierte GIFs. EMOJI ersetzen Wörter nicht (wie zunächst angenommen), sondern ergänzen sie. Wenn ich schreibe, kann man meinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Was transportiere ich auf dieser Ebene der Kommunikation? Ein Emoji schafft den Ausgleich. Gleiches gilt für animierte GIFs. Diese Minisequzenzen drücken so viel Gefühl, Emotion und Empathie aus, wie ich sie nicht in 140 Zeichen erklären kann.

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