Data Debates #17: Weniger über Infrastruktur nachdenken, mehr in digitale Bildung investieren

Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutcshland
Veröffentlicht am 10.12.2020

Durch die Corona-Pandemie hat sich für die Schulen vieles geändert. In kürzester Zeit mussten ganze Klassen von zuhause unterrichtet werden, was Schüler*innen wie Lehrer*innen vor große Herausforderungen stellte. „Digitale Schule in der Corona-Krise: Notlösung oder Revolution?“ – dazu diskutierten die Gäste bei der 17. Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates virtuell.

„Gute Bildung ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft“, betonte Stefanie Hubig. Die Staatsministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die für ihren Impulsvortrag aus dem Ministerium in Mainz zugeschaltet wurde, zeigte sich überzeugt, Bund, Länder und Kommunen müssten dies gemeinsam anpacken. Die Pandemie habe der Digitalisierung einen „enormen Schwung“ gebracht, der weiter mitgenommen werden sollte.

Zu viel Bürokratie – zu wenige Laptops und Konzepte

Valentina Daiber, Vorständin Recht & Corporate Affairs bei Telefónica Deutschland, stimmte der Ministerin zu: „Die vergangenen Monate haben die Digitalisierung mehr vorangebracht als die letzten fünf Jahre“. Das sei grundsätzlich eine positive Entwicklung, doch „Prozesse in Deutschland sind oft wahnsinnig kompliziert und Schulen müssen viele Anträge ausfüllen, um an die notwendigen Produkte zu kommen.“ Auch aus diesem Grund hat Telefónica/O2 mit ihrem Digitalpaket ein Angebot ins Leben gerufen, das Schulen eine komplette Grundausrüstung sowie technischen Support für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht bereitstellt. „Damit wollen wir Bildungseinrichtungen einen besonders schnellen Zugang ins Zeitalter des digitalen Lernens ermöglichen“, so Daiber weiter.

Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutschland, wurde der Diskussion aus dem O2-Tower in München zugeschaltet.

Das dies notwendig ist, verdeutlichen aktuelle Zahlen. So mangelt es nicht an Geld vom Staat. Die Bundesregierung hat bereits 2019 mit dem „Digitalpakt Schule“ fünf Milliarden Euro bereitgestellt. Im Mai wurde nochmals ein 550-Millionen-Euro-Paket geschnürt, damit Schulen – zumindest theoretisch – schnell mit mobilen Geräten und Online-Lernangeboten versorgt werden können. Tatsächlich wurde bisher aber nur ein Bruchteil der Fördermittel abgerufen

Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff, Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutschland, Tabea Rößner, Bündnis 90/ Die Grünen, MdB, Mansur Seddiqzai, Lehrer aus dem Ruhrgebiet und Publizist bei ZEIT ONLINE, sowie Marina Weißband, Diplom-Psychologin, Autorin, Expertin für digitale Partizipation und Bildung.

Doch digitale Schule, da war sich die Gesprächsrunde einig, umfasst neben den notwendigen Endgeräten insbesondere pädagogische Konzepte und entsprechend gut geschulte Lehrkräfte. Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik der Grünen im Bundestag, bestätigte dies. „Ich bin ungeduldig und auch wütend“, sagte sie, denn vor Jahren habe es bereits Konzepte zu digitaler Bildung gegeben, die jedoch nicht in die Umsetzung gekommen seien. „Da braucht es erst eine Pandemie, damit überhaupt etwas in Bewegung kommt“, kritisierte sie.

„Tablets streuen“ reicht nicht

Mansur Seddiqzai, Lehrer aus dem Ruhrgebiet und Publizist bei ZEIT ONLINE, bemängelte, dass IT-Kompetenz kaum Thema in der Lehrerausbildung sei. Für die Politik sei es leicht, „Tablets zu streuen“. Wie man aber damit als Lehrkraft arbeiten soll, müsse dann jeder für sich herausfinden. Dazu gebe es keine Anleitung. Älteren Kollegen falle es außerdem häufig schwerer, sich mit digitalen Geräten zu beschäftigen.

Mansur Seddiqzai, Lehrer aus dem Ruhrgebiet und Publizist bei ZEIT ONLINE

IT-Ausrüstung ist keine digitale Bildung

Marina Weißband, Buchautorin und bekannt geworden als ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, betonte ebenfalls, Fernunterricht in der Not sei etwas völlig anderes als zeitgemäße digitale Bildung. „Geräte heißt nicht digitale Bildung“, sagte sie. Im Unterricht müsste viel projektorientierter und individueller gearbeitet werden. Unterrichtsinhalte müssten geändert, Fächer übergreifender gedacht und Dinge gemeinschaftlich ausgearbeitet werden. Damit sich Lehrer*innen fortbilden und vernetzen können, brauche es zudem zusätzliches Personal an Schulen.

Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutschland, Tabea Rößner, Bündnis 90/ Die Grünen, MdB, Mansur Seddiqzai, Lehrer aus dem Ruhrgebiet und Publizist bei ZEIT ONLINE und Marina Weißband, Diplom-Psychologin, Autorin, Expertin für digitale Partizipation und Bildung.

Digitale Schulen statt teure Frequenzauktionen

Schüler*innen, die in Videobeiträgen zu Wort kamen, schilderten unterschiedliche Erfahrungen mit dem digitalen Fernunterricht. Manche erklärten, sie könnten sich zuhause besser konzentrieren, weil sie nicht von Mitschülern abgelenkt würden. Andere sagten aber, sie würden Dinge besser verstehen, wenn sie der Lehrer an der Tafel erklärt. Ein ähnlich geteiltes Meinungsbild ergab sich bei der Frage, ob der Umstieg auf digitalen Unterricht gut geklappt habe. Bei einigen der befragten Schüler*innen sei dies der Fall gewesen, andere berichteten hingegen von Problemen bei der Umsetzung.

Zum Schluss der Veranstaltung brachte Valentina Daiber einen spannenden Vergleich. So nahm der Staat seit dem Jahr 2000 mehr als 60 Milliarden Euro für Mobilfunkfrequenzen ein. Geld, das letztlich im Netzausbau fehle und damit Probleme erzeuge, die heute auch im Bildungssektor spürbar seien. „Wäre das Geld in den Netzausbau geflossen, würden wir heute nicht über die Infrastruktur in Deutschland sprechen“, erklärte Daiber. Das gelte auch für die Schulen im Land, die „weniger über ihre Infrastruktur nachdenken müssten, stattdessen mehr Zeit investieren könnten in digitale Bildungsinhalte und Konzepte, um alle Schüler*innen optimal mit digitalem Unterricht zu versorgen.“

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